Reverse-Charge-Verfahren: Das hat es mit der Umkehr der Steuerschuldnerschaft auf sich

Das Umsatzsteuergesetz (UStG) besagt, dass der leistende Unternehmer mit seiner Rechnung die Umsatzsteuer von seinen Kunden einholt. Diese liegt bei 19 %. In einigen Fällen wie bei der Vermietung von Wohnräumen ist sie auf 7 % reduziert. In einem zweiten Schritt führt er die Umsatzsteuer an das Finanzamt ab. Somit handelt es sich um einen durchlaufenden Posten. Ganz gleich, ob Sie selbstständig sind oder ein Unternehmen führen, werden Sie mit dieser Regelung sicherlich vertraut sein. Doch wie steht es um Lieferungen von Waren und Dienstleistungen ins Ausland? An dieser Stelle greift das sogenannte Reverse-Charge-Verfahren. Was Reverse Charge genau bedeutet und welche Auswirkungen es für Unternehmer hat, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Zuletzt aktualisiert am 17.07.2025
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Definition

Was ist das Reverse-Charge-Verfahren?

Beim Reverse-Charge-Verfahren handelt es sich um die Umkehr der Steuerschuld. Diese Steuerumkehr bedeutet, dass nicht der Leistungserbringer, sondern der Empfänger die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführt. Infolgedessen darf der Rechnungssteller lediglich eine Netto-Rechnung ausstellen und muss die Umsatzsteuer weglassen. Anwendung findet das Reverse-Charge-Verfahren im EU-Ausland sowie bei grenzüberschreitenden Lieferungen in Drittländern wie der Schweiz und den USA.

Doch wann das Reverse-Charge-Verfahren greift, hängt von verschiedenen Faktoren ab – etwa dem Ort der Leistung, der Art der Leistung sowie dem Status des Empfängers. Wer sich fragt, wann das Reverse-Charge-Verfahren anzuwenden ist, sollte prüfen, ob die Voraussetzungen nach § 13b UStG erfüllt sind.

Typische Anwendungsfälle sind dabei innergemeinschaftliche sonstige Leistungen innerhalb der EU im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens. Hier schuldet der Leistungsempfänger im Bestimmungsland die Umsatzsteuer – ein gängiges Szenario bei digitalen Dienstleistungen, Beratungsleistungen oder Agenturverträgen zwischen Unternehmen in unterschiedlichen EU-Staaten.

Sind Sie als Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt, haben Sie die Möglichkeit, die Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend zu machen. Voraussetzung dafür ist, dass Sie Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts sind. Außerdem müssen Sie eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer besitzen. Zudem dürfen Sie nicht die Kleinunternehmerregelung anwenden.

Achtung

Gilt das Reverse-Charge-Verfahren auch für Kleinunternehmer?

Nein! Bei Kleinunternehmern greift das Reverse-Charge-Verfahren nicht. Erhalten Kleinunternehmer, deren Umsätze 25.000 Euro im Jahr nicht übersteigen, Lieferungen aus dem Ausland, stehen sie vor einem Problem. In ihrem Fall wären sie dazu verpflichtet, die Umsatzsteuer für das Drittland im Reverse-Charge-Verfahren an das Finanzamt abzuführen. Gleichzeitig haben sie nicht das Recht, die Summe als Vorsteuer geltend zu machen. Demnach müssten sie den Betrag aus eigener Tasche bezahlen. Daher ist es für Kleinunternehmer ratsamer, Leistungen im Inland zu beziehen.

Reverse Charge bei steuerfreien Umsätzen: Wann gilt das Verfahren nicht?

Das Reverse-Charge-Verfahren kommt ausschließlich bei steuerpflichtigen Umsätzen zur Anwendung. Nicht steuerbare oder steuerfreie Umsätze unterliegen nicht der Steuerschuldumkehr. Das bedeutet: Wenn ein Umsatz nach dem Umsatzsteuergesetz entweder nicht steuerbar oder ausdrücklich steuerbefreit ist – etwa im Fall bestimmter Finanz- oder Heilberufe –, wird auch keine Umsatzsteuer im Reverse-Charge-Verfahren geschuldet.

Trotzdem gibt es einige Sonderregelungen: Auch Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Umsätze erbringen – etwa nach § 4 UStG – oder von der Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) Gebrauch machen, gelten grundsätzlich als steuerpflichtige Leistungsempfänger, wenn sie Leistungen nach § 13b UStG beziehen. Das heißt: Auch sie müssen in diesen Fällen die Umsatzsteuer nach dem Reverse-Charge-Verfahren an das Finanzamt abführen – allerdings ohne das Recht auf Vorsteuerabzug, sofern keine Vorsteuerberechtigung besteht.

Welche Leistungen fallen unter das Reverse-Charge-Verfahren?

Zum Einsatz kommt das Reverse-Charge-Verfahren, wenn zwei B2B-Unternehmen ein grenzübergreifendes Geschäft abschließen. Dabei sind die genauen Regelungen vom jeweiligen Land abhängig. In Deutschland ist in § 13b Abs. 2 UStG  festgelegt, bei welchen Leistungen Unternehmen Reverse-Charge bzw. die Steuerschuldumkehr buchen müssen. Dazu zählen zum Beispiel

  • Werklieferungen eines Unternehmers im Ausland
  • Bauleistungen
  • Lieferung sicherungsübereigneter Gegenstände außerhalb des Insolvenzverfahrens
  • Gebäudereinigungen
  • Lieferungen von Gold
  • Lieferung Gas und Elektrizität
  • Leistungen im Bereich der Telekommunikation
  • Umsätze, die zum Grunderwerbsteuergesetz zählen
  • Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern und Spielekonsolen

Achtung

Wichtig: Bei Waren ist eine Gelangensbestätigung notwendig

Damit Waren bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung von der Umsatzsteuer befreit werden, ist die Gelangensbestätigung notwendig. Das ist ein Nachweis darüber, dass die Ware auch tatsächlich angekommen ist. Der Leistungsempfänger hat mehrere Möglichkeiten, die Lieferung zu bestätigen: etwa mit einer Quittung oder einem Abliefernachweis.

Warum gibt es das Reverse-Charge-Verfahren?

Das Reverse-Charge-Verfahren verfolgt das Ziel, das Risiko der Umsatzsteuerbetrüge zu senken. Diese Vorfälle gab es in der Vergangenheit bei den verpflichteten Leistungen besonders häufig. Beim sogenannten Karussellbetrug kooperieren mehrere Unternehmen aus unterschiedlichen EU-Staaten. Dabei führt einer der Händler die einbezogene Umsatzsteuer nicht ab. Währenddessen machen die weiteren involvierten Abnehmer die Vorsteuer geltend und erhalten sie vom Finanzamt zurück. Auf diese Weise wurden in den letzten Jahren diverse Staaten und Steuerzahler jährlich um Milliarden Euro betrogen.

Darüber hinaus ergeben sich weitere Vorteile für das Finanzamt sowie für den Leistungsersteller und Leistungserbringer:

  • Vorteile für das Finanzamt: Das Reverse-Charge-Verfahren vereinfacht die Arbeit des Finanzamts. Es muss keine Steueransprüche im Ausland vollstrecken.
  • Vorteile für den Leistungsempfänger: Der Steuerschuldner, also der Leistungsempfänger, muss sich nicht an das jeweilige ausländische Finanzamt wenden. Das erspart eine Menge Zeit, Arbeit und Kosten für eine mögliche Beratung. Dank des Vorsteuerabzugs muss der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nicht vorstrecken.
  • Vorteile für den Leistungserbringer: Der Leistungserbringer spart sich ebenfalls Zeit und Arbeit. Grund dafür ist, dass er diese Vorgänge nicht beim Finanzamt angeben und die Umsatzsteuer entrichten muss. Quartalsweise steht eine zusammenfassende Meldung über alle EU-weiten Geschäftsaktivitäten beim Bundeszentralamt für Steuern an. Diesen Vorgang erledigen in der Regel die meisten Steuerberater automatisch.

Berechnung der Reverse-Charge-Umsatzsteuer

Die Reverse-Charge-Umsatzsteuer des Leistungsempfängers berechnet sich von dem in der Rechnung (bzw. der Gutschrift im Reverse-Charge-Verfahren) ausgewiesenen (Netto-)Betrag ohne Umsatzsteuer (= keine Herausrechnung). Maßgeblich ist der Steuersatz, der sich für den vom Leistenden erbrachten Umsatz nach § 12 UStG ergibt.

Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer im Reverse-Charge-Verfahren gelten folgende Sonderregelungen:

  • Bei tauschähnlichen Umsätzen mit oder ohne Baraufgabe gilt § 10 Abs. 2 Sätze 2, 3 UStG;
  • Bei Leistungen zwischen nahestehenden Personen ist die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG anzusetzen;
  • Bei einem im Zwangsversteigerungsverfahren gelieferten Grundstück ist das Meistgebot der Berechnung als Nettobetrag zugrunde zu legen.

Bei nachträglicher Änderung der Bemessungsgrundlage muss der Leistungsempfänger die angemeldete Umsatzsteuer und ggf. den Vorsteuerabzug entsprechend berichtigen

Fälle des Reverse-Charge-Verfahrens

In den nachfolgenden Reverse-Charge-Verfahren-Beispielen ist nicht der Leistende der Schuldner der deutschen Umsatzsteuer, sondern der Leistungsempfänger – in Spalte drei finden Sie die Voraussetzungen, die zu diesem Umkehrschluss führen.

Art der Leistung gemäß § 13 Abs. 2 UStG Leistender ist ein: Leistungsempfänger muss laut § 13b Abs. 5 UStG sein:
Nr. 1: Werklieferungen, sonstige Leistungen im Ausland ansässiger Unternehmer (+§ 13b Abs. 1 UStG) Juristische Person oder Unternehmen
Nr. 2: Lieferung sicherungsübereigneter Gegenstände
(beispielsweise durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahren)
Unternehmer Juristische Personen oder Unternehmen
Nr. 3: unter das Grunderwerbsteuergesetz fallende Umsätze
(das können unter anderem steuerpflichtige Grundstückslieferungen sein)
Unternehmer Unternehmer, der für sein Unternehmen erwirbt
Nr. 4: Bauleistungen
Unternehmer Ein Unternehmer, der selbst nachhaltig Bauleistungen erbringt
Nr. 5: Übertragung von Berechtigungen nach §3 Abs.4 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes Unternehmer Unternehmer
Nr. 6: Lieferungen von Altmetallen, Abfallstoffen oder Industrieschrott Unternehmer Unternehmer
Nr. 7: Gebäudereinigung oder Reinigung von Gebäudeteilen Unternehmer Ein Unternehmer, der selbst nachhaltig Gebäudereinigungsleistungen erbringt
Nr. 8: Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern, Spielekonsolen, integrierten Schaltkreisen Unternehmer Unternehmer
Nr. 9: Lieferung der in der Anlage 4 zum UStG aufgezählten Edelmetalle und unedlen Metalle Unternehmer Unternehmer

Bei den oben genannten Fällen kann es auch zu einem Reverse-Charge-Verfahren zwischen Privatpersonen kommen – es sei denn, es handelt sich um eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Diese stellt hierbei eine Ausnahme dar.

Sofern Sie als lieferndes Unternehmen jedoch alle Voraussetzungen der Differenzbesteuerung erfüllen, findet keine Umkehr der Steuerschuldnerschaft statt. Laut § 13b UstG schuldet der Leistungsempfänger in diesen Fällen die Umsatzsteuer:

  • Wenn sein Sitz im Ausland liegt.
  • Wenn er in der Land- oder Forstwirtschaft tätig ist.
  • Wenn es sich um einen Unternehmer handelt, der wie Ärzte oder auch Krankenhäuser ausschließlich steuerfreie Umsätze generiert.

Wie sieht eine korrekte Rechnung im Reverse-Charge-Verfahren aus?

Stellen Sie eine Rechnung innerhalb des Reverse-Charge-Verfahrens, sollten Sie auf gewisse Angaben und Formalitäten achten. Zunächst muss die Rechnung die grundlegenden Pflichtangaben enthalten. Diese umfassen folgende Punkte:

  • Vollständiger Name und Anschrift des Leistungsempfängers und Leistungserbringers
  • Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
  • Fortlaufende Rechnungsnummer
  • Rechnungsdatum
  • Umfang und Beschreibung der gelieferten Waren oder Dienstleistungen
  • Zeitpunkt der Lieferung oder Erbringung der Leistung
  • Zahlungsziel
  • Netto-Betrag der vereinbarten Waren und Dienstleistungen
  • Anwendung der jeweils geltenden Steuersätze
  • Vorab vereinbarte Preisminderungen (z. B. Skonto oder Rabattierung)

Bei einer Rechnung nach § 13b UStG dürfen Sie als leistender Unternehmer die Umsatzsteuer auf der Rechnung nicht ausweisen. Sie vermerken dort allein den Nettobetrag. Schließlich übernimmt beim Reverse-Charge-Verfahren der Leistungsempfänger die Abführung der Umsatzsteuer. Zusätzlich müssen Sie auf der Rechnung ausdrücklich die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens benennen. Demnach muss der Leistungsempfänger vom Leistungserbringer auf seine Steuerschuld verwiesen werden. Dafür ist der Hinweis „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ am Ende der Rechnung zulässig – diese Formulierung im Reverse-Charge-Verfahren ist gesetzlich vorgeschrieben und sollte inhaltlich exakt übernommen werden.

Erfolgt der o. g. Hinweis nicht oder nicht entsprechend dem gesetzlich vorgesehenen o. g. Wortlaut, bleibt der Leistungsempfänger trotzdem Steuerschuldner nach § 13b USt.

  • Bei grenzüberschreitenden sonstigen Leistungen zwischen EU-Unternehmern ist die USt-IdNr. des Leistenden und des Leistungsempfängers anzugeben. 

Info

Folgen bei irrtümlichem Ausweis der Umsatzsteuer

Weist der Leistende – trotz des Reverse-Charge-Verfahrens – Umsatzsteuer in der Rechnung gesondert aus,

  • muss er die „zu hoch ausgewiesene Rechnungssteuer“ nach § 14c Abs. 1 UStG an das Finanzamt abführen.
  • bleibt der Leistungsempfänger trotzdem Steuerschuldner nach § 13b UStG;
  • erhält der Leistungsempfänger aus der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer keinen Vorsteuerabzug (führt bei Betriebsprüfungen zu Steuer- und Zinsnachzahlungen).

Erfolgt später deshalb eine Rechnungsberichtigung des Leistenden mit Ausweis des Nettobetrags ohne Umsatzsteuerausweis, erhält er die Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG erst in dem Voranmeldungszeitraum vom Finanzamt zurück, indem er dem Leistungsempfänger die Umsatzsteuer zurückerstattet hat. Hierfür ist jedoch nicht Voraussetzung, dass der Leistungsempfänger den zu Unrecht erhaltenen Vorsteuerabzug an das Finanzamt zurückzahlt. 

Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers

Der Leistungsempfänger kann während des Reverse-Charge-Verfahrens die von ihm nach § 13b Abs. 5 UStG geschuldete Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen, wenn er

  • die bezogene Leistung für sein Unternehmen bezieht und
  • damit vorsteuerabzugsberechtigende Ausgangsumsätze tätigt.

Info

Ordnungsgemäße Rechnung für Vorsteuerabzug nicht erforderlich

Für den Vorsteuerabzug aus der Reverse-Charge-Umsatzsteuer ist eine ordnungsgemäße Rechnung nach § 14 Abs. 4 UStG nicht erforderlich. Weist der Leistende in seiner Rechnung zu Unrecht Umsatzsteuer aus, erhält der Leistungsempfänger hieraus keinen Vorsteuerabzug.

Der Vorsteuerabzug aus der Umsatzsteuer des Reverse-Charge-Verfahrens ist in der gleichen Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Jahreserklärung wie die Reverse-Charge-Umsatzsteuer anzumelden.

Leistungsempfänger: Voranmeldungen und Buchführung

Die nach § 13b UStG geschuldete Umsatzsteuer hat der betroffene Leistungsempfänger in seiner Umsatzsteuervoranmeldung und in seiner Umsatzsteuererklärung anzugeben. Im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens ist die korrekte Erfassung in der Umsatzsteuererklärung besonders wichtig, um steuerliche Nachteile zu vermeiden. Wer also unsicher ist, wie das Reverse-Charge-Verfahren in der Umsatzsteuererklärung korrekt abgebildet wird, sollte auf die jeweiligen Kennziffern und Meldepflichten achten.  

Besteht keine allgemeine Pflicht zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen (z. B. bei Kleinunternehmern; bei Gebäudevermietern, Heilberuflern, Bausparkassen- oder Versicherungsvertretern, die nur steuerfreie vorsteuerausschließende Umsätze tätigen), muss der Leistungsempfänger die auf ihn nach § 13b UStG überwälzte Umsatzsteuer dennoch in einer vierteljährlichen Voranmeldung und in der Jahreserklärung anmelden.

Wer wissen möchte, wo man beim Reverse Charge die relevanten Beträge in der Umsatzsteuervoranmeldung eintragen muss, findet in den folgenden Abschnitten eine strukturierte Übersicht über die zutreffenden Kennziffern und Zeilen.

Zur zutreffenden Erfassung der geschuldeten Umsatzsteuer in der Umsatzsteuervoranmeldung des Reverse-Charge-Verfahrens sollten im kreditorischen Bereich der Eingangsrechnungen beim Leistungsempfänger verschiedene Steuerkennzeichen verwendet werden für:

  • bezogene sonstige Leistungen von im EU-Ausland ansässigen Unternehmern mit USt-IdNr. (Zeile 48 der Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Zeile 22 der Umsatzsteuererklärung (Anlage UR))
  • andere bezogene Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers (z. B. Lieferung von Gas, Elektrizität sowie Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze nach § 3g UStG) (Zeile 49 der Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Zeile 23 der Umsatzsteuererklärung (Anlage UR))
  • den Erwerb sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsnehmer und unter das Grunderwerbsteuergesetz fallende umsatzsteuerpflichtige (Grundstücks)Umsätze (Zeile 50 der Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Zeile 24 der Umsatzsteuererklärung (Anlage UR));
  • Bezug von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern, Spielekonsolen sowie integrierten Schaltkreisen (Zeile 51 der Umsatzsteuervoranmeldung und Zeile 25 der Umsatzsteuererklärung (Anlage UR))
  • andere bezogene Leistungen nach § 13b Abs. 2 Nr. 4, 5 Buchst. b, Nr. 6–9 und 11 UStG (von Inlandsunternehmern bezogene „Bauleistungen“; Lieferung Industrieschrott, Altmetall etc.; Gebäudereinigung, Übertragung Berechtigung nach § 3 Abs. 4 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes, Lieferung von Edelmetallen und unedlen Metallen, Zeile 52 der Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Zeile 26 der Umsatzsteuererklärung (Anlage UR))

Der Leistende muss die o. g. Umsätze als sog. „nicht steuerbare Leistungen“ in Zeile 40 bzw. 41 der Umsatzsteuervoranmeldung angeben. 

Info

Reverse-Charge ohne USt-IdNr. – was ist zu beachten?

Fehlt beim Kunden die USt-IdNr., kann das zu Problemen führen. Eine Reverse-Charge-Rechnung ohne USt-Id weckt beim Finanzamt schnell Zweifel an der Unternehmereigenschaft des Empfängers – schlimmstenfalls drohen Steuernachzahlungen.

Gleichzeitig darf man die Umsatzsteuer nicht einfach ausweisen, wenn Reverse Charge eigentlich anzuwenden wäre – das würde zu einer unberechtigten Steuerforderung führen.

Trotzdem gilt laut BFH-Urteil (31.01.2024 – V R 20/21): Die USt-IdNr. ist kein Muss. Es muss jedoch anderweitig nachgewiesen werden, dass der Kunde Unternehmer ist – etwa durch Geschäftsunterlagen oder Brancheneintrag. Nur wenn dieser Nachweis nicht gelingt, gilt die Rechnung als unzulässig im Reverse-Charge-Verfahren. 

Unzutreffende Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens: Vertrauensschutzregelung

Beim Reverse-Charge-Verfahren des § 13b UStG kommt es in der Praxis oft zu Fehlern. Für die Fälle des § 13b Abs. 2 Nr. 4 (Bauleistungen), Nr. 5 Buchst. b („Lieferung von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität, die nicht unter § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a UStG fallen“) und Nr. 7–11 UStG (Lieferung von „Schrott“, Lieferung von bestimmtem Gold, Lieferung von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern, Spielekonsolen und integrierten Schaltkreisen sowie Gebäudereinigungsleistungen, Lieferung von Edelmetallen und unedlen Metallen) gilt daher folgende gesetzliche Vertrauensschutzregelung:

Sind Leistungsempfänger und leistender Unternehmer

  • in Zweifelsfällen übereinstimmend von der Übertragung der Steuerschuldnerschaft ausgegangen,
  • obwohl dies nach der Art der Umsätze objektiv Kriterien falsch war,

gilt der Leistungsempfänger dennoch als Steuerschuldner, sofern dadurch keine Steuerausfälle entstehen.

Von Übereinstimmung kann ausgegangen werden, wenn der Leistende in der Rechnung den Leistungsempfänger auf die Anwendung des § 13b UStG hingewiesen hat und dieser dem nicht widersprochen hat.

Steuerausfälle im Reverse-Charge-Verfahren sind insoweit wohl nicht entstanden, wenn der jeweilige Umsatz vom Leistungsempfänger beim Finanzamt in zutreffender Höhe versteuert wurde. Letzteres kann der Leistende aber nicht „überprüfen“. Deshalb sollte in der Praxis bei „Zweifelsfällen“ eine schriftliche, von beiden zu unterschreibende Einigung über die Anwendbarkeit der Vereinfachungsregelung erfolgen. Hierin sollte der Leistungsempfänger versichern, „dass er den Umsatz in zutreffender Höhe nach § 13b UStG versteuern wird“.

Im Ausland ansässige Leistende: Besteuerungsverfahren

Führt der im Ausland ansässige Unternehmer im Besteuerungszeitraum nur dem deutschen Reverse-Charge-Verfahren unterliegende Umsätze aus, muss er sich die ihm ggf. aus Eingangsleistungen belastete deutsche Vorsteuer beim Bundeszentralamt für Steuern vergüten lassen (Vorsteuervergütung).

Der im Ausland ansässige Unternehmer muss im allgemeinen Besteuerungsverfahren bei einem der für Ausländer zentral zuständigen Finanzämter Umsatzsteuervoranmeldungen und Jahreserklärungen abgeben, wenn er

  • auch Umsätze getätigt hat, für die er selbst Steuerschuldner ist (z. B. an Nichtunternehmer),
  • selbst als Leistungsempfänger eine Steuer nach § 13b UStG schuldet,
  • eine Steuer nach § 14c UStG schuldet.

Aufzeichnungspflichten

Neben den allgemeinen Aufzeichnungspflichten müssen die dem Reverse-Charge-Verfahren unterliegenden Leistungsempfänger auch die an sie ausgeführten Reverse-Charge-Eingangsleistungen nach § 22 UStG aufzeichnen (auch wenn sie für den nichtunternehmerischen, hoheitlichen bzw. ideellen Bereich erfolgen).

Obwohl in diesen Fällen der leistende Unternehmer wegen § 13b UStG nicht mehr Steuerschuldner ist, hat er die o. g. Angaben ebenfalls gesondert aufzuzeichnen.

Reverse-Charge-Verfahren in anderen Ländern

Das Reverse-Charge-Verfahren gilt nach Art. 196 der MwStSystRL in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten für die grenzüberschreitende Erbringung von sonstigen Leistungen an EU-Unternehmer mit EU-USt-IdNr. nach § 3a Abs. 2 UStG. Insoweit muss sich der in Deutschland ansässige Leistende nicht im EU-Ausland registrieren lassen. Diese in Deutschland nicht steuerbaren sonstigen Leistungen sind gesondert in Zeile 41 der Umsatzsteuervoranmeldung zu erklären. Des Weiteren sind diese Vorgänge in der zusammenfassenden Meldung beim Bundeszentralamt für Steuern anzugeben (mit USt-IdNr. des EU-Leistungsempfängers). Bei den betroffenen Ausgangsrechnungen innerhalb eines Reverse-Charge-Verfahrens sollte deshalb in der Buchhaltung ein besonderes Steuerkennzeichen verwendet werden; des Weiteren muss in der Rechnung der Leistungsempfänger auf seine Steuerschuldnerschaft hingewiesen werden, z. B. mit dem englischen Begriff „Reverse Charge“.

Für die übrigen in Deutschland nicht steuerbaren grenzüberschreitenden Leistungen (z. B. Werklieferungen) an EU-Unternehmer gelten leider keine einheitlichen EU-Regelungen. In manchen sog. Drittländern besteht ebenfalls eine Reverse-Charge-Regelung. Jedoch empfiehlt es sich hier immer vorab anzufragen, ob im Einzelfall das Reverse-Charge-Verfahren gilt und damit die Registrierung im Ausland unterbleiben kann. Damit diese nicht steuerbaren Leistungen zutreffend in Zeile 42 der Umsatzsteuervoranmeldung erfasst werden, empfiehlt sich auch hier die Verwendung eines besonderen Steuerkennzeichens in der Buchhaltung.

Zusammenfassung

Reverse-Charge-Verfahren zusammengefasst

  • Im Umsatzsteuergesetz ist es üblich, dass der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer auf seiner Rechnung aufweist. Diese führt er dann an das Finanzamt ab.
  • Das Reverse-Charge-Verfahrenkehrt die Steuerschuld um. Folglich muss der Empfänger der Leistung die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen.
  • Es wird bei grenzüberschreitenden Lieferungen im EU-Ausland sowie bei Drittländern angewandt. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um B2B-Unternehmen handelt.
  • Der Leistungsempfänger hat die Möglichkeit, die Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend zu machen. Dafür muss es sich um einen Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts handeln. Eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer muss ebenfalls vorliegen.
  • Für Kleinunternehmer gilt das Reverse-Charge-Verfahren nicht. Kaufen sie Waren oder Dienstleistungen aus dem Ausland, müssen sie die Umsatzsteuer selbst an das Finanzamt abführen. Allerdings dürfen sie den Betrag nicht als Vorsteuer geltend machen.
  • Mithilfe des Reverse-Charge-Verfahrens sollen Umsatzsteuerbetrüge vermieden werden. Insbesondere geht es hier um den Karussellbetrug zwischen mehreren Händlern.
  • Zu den Pflichten der Rechnungsstellung gehört der Hinweis auf die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens. Das geht mit den Worten „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“.