Nachhaltigkeit

Inklusion am Arbeitsplatz: Große Chance auf gute Arbeitskräfte für KMU

Inklusion am Arbeitsplatz ist auch für KMU ein wichtiges Thema. Nicht nur, weil Inklusion Menschen mit einer Behinderung die Teilhabe am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern auch, weil Unternehmen in ihnen gute und fähige Mitarbeiter finden – und darüber hinaus auch einen Teil zu sozialer Nachhaltigkeit beitragen können. Was Sie zum Thema erfolgreiche Inklusion am Arbeitsplatz sowie zur Integration eines behindertengerechten Arbeitsplatzes wissen müssen, erfahren Sie hier.

Zuletzt aktualisiert am 27.09.2024
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Wie viele Menschen mit Behinderung leben in Deutschland?

Im Jahr 2021 lebten laut Statistischem Bundesamt etwa 10,4 Millionen Menschen mit einer anerkannten Behinderung in Deutschland; der größte Anteil von ihnen mit einer Schwerbehinderung – rund 7,9 Millionen Menschen. Circa 2,9 Millionen von ihnen sind erwerbstätig, davon sind 61,6 Prozent Angestellte. Wenn von Inklusion am Arbeitsplatz die Rede ist, geht es also um sehr viele Menschen – und es werden perspektivisch immer mehr.

Ein Grund dafür ist die demografische Entwicklung: Unsere Gesellschaft wird immer älter und mit dem Alter steigt der Anteil der Menschen mit einer Behinderung, denn: Die meisten schweren Behinderungen – nämlich 89 Prozent – entstehen erst im Laufe des Lebens aufgrund einer Krankheit, wie eine Untersuchung des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2020 zeigte.

 

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Alter der Erwerbstätigen
Alter der Erwerbstätigen Anzahl der schwerbehinderten Erwerbstätigen in % Bevölkerung insgesamt in %
15 bis unter 65 47,8 75,6
15 bis unter 25 39,1 48,5
25 bis unter 50 60,3 83,8
50 bis unter 60 52,8 83,1
60 bis unter 65 31,8 61,4

Die Tabelle zeigt die Erwerbstätigenquoten im Jahr 2021 nach Alter in Prozent. (Quelle: Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt. Arbeitsmarktsituation schwerbehinderter Menschen. Ausgabe Juli 2024. Bundesagentur für Arbeit)

Definition

Woher kommt der Begriff Inklusion?

Inklusion leitet sich vom lateinischen Verb includere ab, das einschließen, umschließen oder einfügen bedeutet. Inklusion bedeutet also das Miteinbeziehen oder Miteinschließen von Menschen.

Was bedeutet Inklusion am Arbeitsplatz?

Inklusion am Arbeitsplatz heißt nichts anderes, als Menschen mit einer Behinderung die gleichen Chancen einzuräumen wie allen anderen auch. Dafür müssen beispielsweise Räume und auch Technik barrierefrei sein, etwa in Form von Bildschirmlesegeräten, Braillezeilen oder Hörhilfen oder anderen Hilfsmitteln.

Jedoch geht es bei Inklusion am Arbeitsplatz nicht nur um die Barrierefreiheit im Haus oder die behindertengerechte Anpassung der Arbeitsmittel. Auch der Umgang mit Kollegen mit Einschränkungen spielt einen entscheidenden Faktor.
Schließlich sollen ebenso die Mitarbeiter mit Behinderung ihre Ziele erfüllen und dies ist für sie nicht immer so leicht ohne zusätzliche Unterstützung oder weiteren Maßnahmen ihres Teams möglich. Unternehmen sollten hier den Ansätzen der Inklusionspädagogik folgen, wo Menschen mit und ohne Behinderung gleichberechtigt zusammenarbeiten.

Beispiele für Inklusion am Arbeitsplatz

1. Beispiel:

Herr Schmidt sitzt im Rollstuhl und arbeitet als Sachbearbeiter bei einer Gemeinde. Er besitzt einen inklusiven Arbeitsplatz:
Im Haus befinden sich sowohl barrierefreie Aufzüge als auch eine Rampe an der Treppe am Eingang. Daneben stellt ihm sein Arbeitgeber auch Arbeitshilfen zur Verfügung, wie etwa einen für ihn und auf seine Bedürfnisse angepassten Schreibtisch.

2. Beispiel:

Frau Müller ist gehörlos und als Ingenieurin bei einem Autozulieferer beschäftigt. Immer wieder stehen bei ihr Online- und auch Offline-Meetings an. Hierbei ist online ein Gebärdendolmetscher zugeschaltet, der alles für Frau Müller in Gebärdensprache und für die anderen Teilnehmer dann in Lautsprache übersetzt.

Tipp

Weitere Beispiele und Möglichkeiten der Inklusion am Arbeitsplatz

Wer auf der Suche nach weiteren gelungenen Beispielen für Inklusion in Unternehmen ist, wird auf der Website von Aktion Mensch fündig. Dort teilen sowohl Betroffene ihren Weg mit, wie sie ihren inklusiven Arbeitsplatz gefunden haben, als auch berichten Kollegen über ihre Erfahrungen der Zusammenarbeit.

 

Warum Inklusion am Arbeitsplatz wichtig ist

Unternehmen lassen wertvolle Ressourcenungenutzt, wenn sie ihre Arbeitsplätze nicht „inklusions-fit“ machen.

Erstens sind Menschen mit Behinderung in ihrem Beruf in der Regel genauso leistungsfähig wie alle anderen auch, was zum Beispiel zuletzt im „Inklusionsbarometer Arbeit“ der Aktion Mensch 2021 nachgewiesen wurde.

Zweitens zählt angesichts des angespannten Arbeitsmarktes jeder Kopf. Denn wenn Unternehmen vermehrt auf Diversität und Inklusion am Arbeitsplatz setzen, könnte dies den Fachkräftemangel in unterschiedlichen Branchen eindämmen.

Drittens besagt schon die 2009 ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention, dass die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ein Menschenrecht ist und kein Akt der Fürsorge oder Gnade.

Inklusion als Baustein für mehr Nachhaltigkeit

Unter Soziale Nachhaltigkeit fällt das Schaffen und Erhalten von fairen, gerechten und inklusiven Gesellschaftsstrukturen, die es allen Menschen ermöglichen, ein würdiges Leben zu führen. Dies beinhaltet den Zugang zu grundlegenden Menschenrechten, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit in allen Bereichen des Lebens, einschließlich Bildung, Gesundheit, und eben auch der Teilhabe am Arbeitsmarkt. Soziale Nachhaltigkeit zielt darauf ab, Diskriminierung zu verhindern und sicherzustellen, dass niemand aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Alter, Behinderung oder anderen individuellen Merkmalen benachteiligt wird. 

Inklusion ist ein zentraler Aspekt sozialer Nachhaltigkeit, insbesondere im Arbeitsumfeld. Indem Unternehmen Menschen mit Behinderungen gleichberechtigte Chancen bieten, tragen sie zur sozialen Nachhaltigkeit bei. Ein inklusiver Arbeitsplatz fördert nicht nur die Chancengleichheit, sondern schafft auch eine vielfältige und kreative Arbeitsumgebung, die Innovationen und wirtschaftliches Wachstum fördert. Somit ist die Förderung der Inklusion auch ein Bestandteil nachhaltiger Unternehmensführung, die langfristig den sozialen Zusammenhalt stärkt und zur wirtschaftlichen Stabilität beiträgt.

Wie gelingt Inklusion am Arbeitsplatz?

Inklusion von Menschen mit Behinderung gelingt dann am besten, wenn die Arbeitsbedingungen möglichst optimal auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind. Eine Unternehmenskultur, die Inklusion und Diversität unterstützt, ist dabei mindestens genauso entscheidend wie eine organisatorisch und technisch angepasste behindertengerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes und flexible Arbeitszeitmodelle, so die Ergebnisse der IW-Analysen vom Institut der deutschen Wirtschaft.

Eines dieser flexiblen Arbeitszeitmodelle könnte das Homeoffice als Arbeitsplatz darstellen. Gut vorbereitet und geplant, kann dies die Inklusion von Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben erleichtern. Laut § 164 SGB IX besteht für dann sogar ein Anrecht auf das Homeoffice. Als Nachteil ist sicherlich die hierdurch drohende soziale Isolation zu nennen. Eine entsprechende Lösung präsentierten bereits Kanada und Länder in Skandinavien mit ihrem Projekt „third places“, das beispielsweise barrierefreie Co-Working-Spaces vorsieht. 

Welche Gesetze und Regeln existieren zur Inklusion am Arbeitsplatz?

Die Vorgaben, die Arbeitgeber bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung beachten müssen, finden sich in unterschiedlichen Gesetzestexten. Vor allem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), die Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) oder das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) schreiben einige Regeln und Anforderungen vor, an die sich Betriebe bei der Inklusion am Arbeitsplatz halten müssen.

Info

Diese Regeln gelten für Unternehmen

  • Menschen mit Schwerbehinderung haben beispielsweise einen Anspruch auf mehr Urlaubstage, dürfen nicht länger als acht Stunden pro Tag arbeiten und genießen einen besonderen Kündigungsschutz.
  • Unternehmen, die Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigen und mehr als 20 Vollzeit-Arbeitsplätze bieten, brauchen einen Inklusionsbeauftragten.
  • Beschäftigt eine Firma mehr als fünf Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung, muss zudem eine Schwerbehindertenvertretung gewählt werden.

Die wichtigsten Gesetze aus dem Sozial- und Arbeitsrecht zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen finden sich zum Beispiel bei REHADAT, einem Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln.

Die bürokratischen Vorgaben schrecken immer noch viele Unternehmen ab, Menschen mit Behinderung einzustellen. Damit vergeben sie eine große Chance auf engagierte, fähige Mitarbeitende. Außerdem können Betriebe bei der Inklusion auf viele Fördermittel, Zuschüsse und Unterstützungsangebote zurückgreifen.

Info

Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts seit 2024 in Kraft

Seit dem 1. Januar 2024 ist das „Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts“ in Kraft, mit dem mehr Menschen mit Behinderungen in reguläre Arbeit gebracht werden sollen. Arbeitgeber, die ihrer Beschäftigungspflicht nicht nachkommen, müssen 2025 mit höheren Ausgleichsabgaben rechnen. 

Bis zu 720 Euro monatlich müssen Unternehmen für jeden nicht besetzten Pflichtarbeitsplatz bezahlen. Diese neue Ausgleichsabgabe ist erstmals zum 31. März 2025 für das Jahr 2024 zu zahlen. Das in der Vergangenheit erhobene Bußgeld für Unternehmen, die keinen Pflichtarbeitsplatz mit einem Menschen mit Behinderung besetzen, soll aufgehoben werden. 

Nach wie vor gelten für kleinere Unternehmen gesonderte Regelungen.

Inklusion: Hier finden KMU Unterstützung

Mindestens so zahlreich wie die Regelungen sind die Förder- und Unterstützungsangebote.

Seit 2023 legt das Teilhabestärkungsgesetz fest, dass „einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber“ (EAA) Unternehmen bei der Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung unterstützen. Ein Beispiel hierfür ist der Integrationsfachdienst -kurz IFD. Grundsätzlich unterstützt, berät und begleitet der IFD arbeitssuchende sowie beschäftigte Menschen mit Behinderung. Die Fachkräfte für Inklusion arbeiten jedoch auch eng mit den Unternehmen zusammen und klären beispielsweise die Kollegen im direkten Arbeitsplatzumfeld über die Auswirkungen bestimmter Behinderungen auf. 

Das macht die Sache deutlich einfacher, denn bisher herrschte angesichts der schieren Menge an Fördermöglichkeiten Intransparenz. Detaillierte Informationen finden Sie auch hier auf der Website REHADAT.

FAQ: Ihre Fragen zur Inklusion am Arbeitsplatz

Wie ist der Begriff „Behinderung“ gesetzlich definiert?

 

In § 2 Abs. 1 des 9. Sozialgesetzbuchs sind Menschen mit Behinderungen wie folgt definiert: „Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, [die sie] an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit [länger als sechs Monate] hindern können.“ Und so heißt es weiter: „Eine Beeinträchtigung […] liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.“

Wie wird Behinderung klassifiziert?

 

Definiert wird der Grad der Behinderung auf einer Skala in 10er Schritten, beginnend bei 20 und endend bei 100. Als schwerbehindert gilt eine Person ab einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50.

Der Grad einer Behinderung wird unabhängig vom ausgeübten Beruf zugewiesen und sagt nichts über die Leistungsfähigkeit in Bezug auf einen konkreten Arbeitsplatz aus.

Was ist die Ausgleichsabgabe?

 

Bietet ein Unternehmen 20 oder mehr Arbeitsplätze mit wöchentlich mindestens 18 Arbeitsstunden, ist es verpflichtet, fünf Prozent dieser Stellen mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Wer diese Quote nicht erfüllt, muss eine Ausgleichsabgabe an das Integrationsamt zahlen.

Wo finden Menschen mit Behinderung Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche?  

Erste Anlaufstelle ist der Integrationsfachdienst – kurz IFD. Die dortigen Fachkräfte für Integration und Inklusion unterstützen, beraten und begleiten sowohl beschäftigte als auch arbeitsuchende Menschen mit Behinderung. Ihr Ziel ist es, die betreuten Personen in einem langfristigen Arbeitsverhältnis unterzubringen. 

Müssen Unternehmen einen Arbeitsplatz behindertengerecht einrichten?  

Der Gesetzgeber verpflichtet Unternehmen dazu, bei der Besetzung freier Stellen zu prüfen, ob sie schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Menschen beschäftigen können. Darüber hinaus sind Arbeitgeber verpflichtet, Arbeitsplätze behinderungsgerecht zu gestalten und mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen auszustatten.