„Arbeitsunfall“ ist ein weit gefasster Begriff
Ein Arbeits- oder Betriebsunfall liegt bereits vor, wenn die Tätigkeit, bei der der Unfall geschieht, mit der versicherten Tätigkeit in Zusammenhang steht. Unfallschutz besteht danach z. B. auch
- beim Transport, der Instandhaltung oder der Erneuerung von Arbeitsgeräten.
- der Teilnahme am Betriebsausflug, an der Betriebsfeier oder dem Betriebssport.
- bei Dienstreisen.
Zu den Betriebsunfällen gehören die sogenannten Wegeunfälle. Das sind Unfälle, die auf dem Weg zur Arbeit oder von der Arbeit nach Hause geschehen. Der Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf Umwege, die nötig sind, um etwa ein Kind in die Kita zu bringen oder Kollegen einer Fahrgemeinschaft aufzunehmen. Erfolgt ein Unfall nur zufällig während der versicherten Tätigkeit, liegt dagegen kein Arbeitsunfall vor. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Mitarbeiter im Betrieb plötzlich das Bewusstsein verliert oder einen Schlaganfall erleidet.
Zur Bestimmung eines Arbeitsunfalles gehört auch immer die „Einwirkung von außen“, also die Frage, durch welchen Einfluss es zum Unfall kam. Es gilt also die genaue Kausalität zu überprüfen. Diese können Sie z.B. mit den klassischen W-Fragen ermitteln:
- Wodurch wurde der Unfall verursacht?
- Wann hat sich der Unfall ereignet?
- Wo ist der Unfall passiert?
- Wer oder Was war noch in den Unfall involviert?
Wie hat sich der Unfall abgespielt?
Definition
Wann liegt ein Arbeitsunfall vor?
Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Arbeitsunfälle sind Unfälle versicherter Arbeitnehmer, die infolge einer versicherten Tätigkeit passieren, § 8 Abs.1 SGB VII.
Besondere Situationen bei Arbeitsunfällen
Im ersten Moment werden Arbeitsunfälle immer als Unfallereignisse definiert, die in irgendeiner Weise mit der Arbeit in Verbindung stehen. Oberflächlich sind dies Berufsunfälle, die direkt im Unternehmen während der Arbeitszeit passieren oder Unfälle, die mit dem Arbeitsweg verbunden sind. Vorfälle sind jedoch auch in weiteren Situationen als Arbeitsunfall einzutragen:
- Bei Veranstaltungen, die mit einem Ehrenamt verbunden sind.
- Wenn Sie nahe Angehörige im eigenen Haus pflegen.
- Wenn der Unfall mit der Schule verbunden ist. Das bedeutet also:
- Auf dem Weg von zu Hause zur Schule bzw. von der Schule nach Hause.
- Unfälle bei Ausflügen oder Reisen mit der Schule.
- Der Unfall ereignet sich während einer Schulveranstaltung, wie z.B. einem Sommerfest.
- Wenn Ihrem Kind ein Unfall im Kindergarten, in der Kita oder im Kinderhort passiert. Hierzu zählen auch diverse Szenarien:
- Unfälle, die auf dem Weg zur Einrichtung oder von der Einrichtung nach Hause passieren.
- Unfälle, die sich bei Ausflügenmit der Einrichtung ereignen.
Versicherungsträger ist die gesetzliche Unfallversicherung
Alle Arbeitnehmer, auch Minijobber und Auszubildende sind automatisch in der jeweiligen gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallkasse bzw. Berufsgenossenschaft) versichert. Ob sie dauerhaft oder nur vorübergehend beschäftigt sind, spielt keine Rolle. Versichert sind Arbeitsunfälle, Wegeunfälle und Berufskrankheiten. Die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft ist jeweils branchenbezogen. Unternehmer und Selbstständige können sich, wenn sie möchten, meist freiwillig in der für Ihren Betrieb zuständigen gesetzlichen Unfallversicherung versichern.
Folgende Berufsgenossenschaften kommen bei Arbeitsunfällen in Frage:
- Für Arbeitnehmer in privaten Wirtschaftsunternehmen ist die gewerbliche Berufsgenossenschaft zuständig.
- Für Mitarbeiter bzw. angestellte Familienangehörige sowie Selbständige in der Land- und Forstwirtschaft gilt die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft.
- Für Angestellte in Behörden des Bundes, der Länder und Gemeinden sowie für Kindergartenkinder, Schüler und Studenten greift der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, wie beispielsweise die Unfallkassen.
Wie wird die gesetzliche Unfallversicherung bezahlt?
Die gesetzliche Unfallversicherung wird über ein sogenanntes Umlageverfahren finanziert. Der Prozess läuft folgendermaßen ab:
- Die Beiträge hat das Unternehmen zu tragen.
- Unternehmer müssen Ihren Betrieb im Zuge der Eröffnung bei der zuständigen Berufsgenossenschaft anmelden.
- Arbeitgeber sind verpflichtet, jeweils nach Ablauf eines Kalenderjahres mit dem „Lohnnachweis“ die Anzahl der Versicherten, Arbeitsentgelte und die geleisteten Arbeitsstunden zu melden.
- Die Beiträge werden jährlich auf Grundlage des tatsächlich festgestellten Bedarfs nachträglich erhoben.
Arbeitsunfall melden: So gehen Sie richtig vor
Der Ablauf nach einem Arbeitsunfall weist einige Besonderheiten auf. Handeln Sie daher bei einem Arbeitsunfall immer in der gleichen Vorgehensweise:
1. Erste Hilfe Leisten
Ganz gleich ob Kollegen oder Teamleiter direkt am Unfallort zur Stelle sind oder Arbeitgeber zum Unfallort herangezogen werden: Es sollte sichergestellt werden, dass der Verletzte mit Erste-Hilfe Maßnahmen versorgt wurde. Je nach Unfall sollten Sie auch ein Notarzt kontaktieren.
2. Den Arbeitsunfall dokumentieren
Ab dem Moment, an den sich ein Arbeitsunfall ereignet, muss sich die Personalabteilung um den Vorfall kümmern. Bei einem Unfall innerhalb des Betriebs obliegt die Personalabteilung der Meldepflicht, d.h. sie muss an die gesetzliche Versicherung kommunizieren. Die BG prüft den Unfall und ermittelt, ob sie für den Versicherungsfall zuständig ist und wie umfangreich der Versicherungsschutz ist. Zudem sollte der Unfall detailliert im Verbandbuch dokumentiert werden.
3. Den Durchgangsarzt aufsuchen
Je nach Verletzung sollte der Mitarbeiter nach den ersten beiden Maßnahmen einen Durchgangsarzt nach dem Arbeitsunfall aufsuchen.
4. Die Unfallanzeige aufgeben
Folgt aus einem Arbeits- oder Wegeunfall eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Kalendertagen, muss der Betrieb den Unfallversicherungsträger informieren. Das setzt voraus, dass der Beschäftigte das Unternehmen umgehend über das Unfallgeschehen – z. B. den Verkehrsunfall auf dem Weg zur Arbeit – informiert. Die Unfallanzeige muss innerhalb von drei Tagen nach Kenntnisnahme, bei schweren Unfällen sofort erfolgen. Um den Arbeitsunfall zu melden, stellt die Berufsgenossenschaft einFormular mit den wichtigsten Fragen zur Verfügung. Bei vielen ist die Meldung auch online möglich. Die Berufsgenossenschaft prüft anschließend, ob es sich tatsächlich um ein versichertes Geschehen handelt.
Durchgangsärzte sind bei einem Arbeitsunfall die erste Adresse
Durchgangsärzte sind meist Fachärzte für Chirurgie oder Orthopädie, die auf die Behandlung typischer Unfallfolgen spezialisiert sind. Sie sind aufzusuchen, wenn
- der Unfall Arbeitsunfähigkeit – über den Unfalltag hinaus – zur Folge hat,
- die erforderliche ärztliche Behandlung voraussichtlich mehr als eine Woche dauert,
- Heil- und Hilfsmittel erforderlich sind oder
- der Beschäftigte aufgrund eines Unfalls erneut erkrankt.
Ist etwa ausschließlich das Auge oder das Ohr verletzt, ist auch ein sofortiger Besuch der entsprechenden Fachpraxis möglich, bei schwereren Verletzungen der Besuch des nächstgelegenen Krankenhauses. Bei nur leichten Verletzungen erfolgt eine Überweisung zur weiteren Behandlung an den Hausarzt bzw. die Hausärztin. Die Berufsgenossenschaft begleitet, steuert und unterstützt die Heilbehandlung, die berufliche und soziale Rehabilitation sowie die Wiedereingliederung in den Betrieb.
Der Durchgangsarzt sollte in der Lage sein, zwischen dem eingetroffenen Gesundheitsschaden und dem Unfallereignis einen genauen Ursachenzusammenhang herzustellen. Bei schwierigen Fällen werden zusätzliche Maßnahmen ergriffen:
- Zur Ermittlung der Krankheitsvorgeschichte kann ein Sachverständigengutachten beauftragt werden.
- Der Unfallversicherungsträger gibt hierfür Gutachtenaufträge an externe Fachärzte aus den erforderlichen Bereichen.
- Um die Unabhängigkeit zu bewahren, verfügt der Unfallversicherungsträger selbst über keine eigenen ärztlichen Gutachter.
Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfall und weitere Leistungen
Wie bei jeder krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit hat das Unternehmen dem verunfallten und arbeitsunfähigen Arbeitnehmer zunächst für bis zu sechs Wochen Lohnfortzahlung (auch Entgeltfortzahlung) zu leisten. Die danach normalerweise übliche Krankengeldzahlung (70 Prozent des Bruttoentgelts) durch die Krankenkasse wird beim Arbeitsunfall durch das von der Unfallversicherung zu erbringende höhere Verletztengeld(80 Prozent des Bruttoentgelts) ersetzt. Es darf aber nicht höher sein als das durchschnittliche Nettoarbeitsentgelt. Die Auszahlung des Verletztengeldes erfolgt über die Krankenkassen. Weitere Leistungen der Berufsgenossenschaft sind
- Übergangsgeld, wenn eine Berufshilfemaßnahme erforderlich ist,
- Pflegeleistungen und ärztliche Behandlungen
- Umschulungen, falls der bisherige Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann
- behindertengerechte Umgestaltung des Arbeitsplatzes
- Rentenzahlung - bei dauerhaften Einschränkungen bzw. an Hinterbliebene
Wird der vorliegende Versicherungsfall von der BG nicht als Arbeitsunfall eingeschätzt, übernimmt die Krankenversicherung die medizinischen Leistungen. In diesem Fall muss der Unfallversicherungsträger den Arbeitsunfall der Krankenkasse melden.
Tipp
Keine Übernahme von Sachschäden
Grundsätzlich kommt die Unfallversicherung nicht für Sachschäden auf. Bei zwei Ausnahmen jedoch können Betroffene mit einem Schadensersatz rechnen:
- Werden bei der Durchführung von Ersten Hilfe Gegenstände oder Dinge beschädigt, wie z.B. Kleidung, erhalten Sie hierfür eine Zahlung von der Versicherung.
- Gehen in Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall Hilfsmittel des Betroffenen kaputt, wie z.B. eine Brille, kommt die Versicherung hierfür auf.
Beim Arbeitsunfall ist Schmerzensgeld selten
Berufsgenossenschaften zahlen kein Schmerzensgeld. In der Regel besteht bei einem Arbeitsunfall auch kein Anspruch auf Schmerzensgeld gegenüber dem Unternehmen oder beteiligten anderen Arbeitnehmern. Der Grund: Schmerzensgeld soll für fremdverschuldete Schmerzen entschädigen; ein Verschulden liegt bei Arbeitsunfällen in den wenigsten Fällen vor. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld kann nach §§ 104, 105 SGB VII nur bestehen, wenn
- der Arbeitgeber oder eine andere im Betrieb tätige Person den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht hat.
- es sich um einen Wegeunfall, z. B. einen von einer anderen Person verursachten Verkehrsunfall handelt.
Arbeitsunfall: Sonderfälle
in vielen Fällen ist die Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt oder nicht, schwer eindeutig zu beantworten. Die Abgrenzung kann schwierig sein. Die zuständigen Sozialgerichte entscheiden meist nach Sachlage im Einzelfall.
Arbeitsunfall im Homeoffice
Auch Mitarbeiter im Homeoffice sind bei einem Arbeitsunfall über die gesetzliche Unfallversicherung geschützt. Lange fielen nur Betriebswege, also Wege zum Drucker in einem anderen Raum, unter den Versicherungsschutz. Der Gesetzgeber hat den Versicherungsschutz jedoch seit dem 18. Juni 2021 erweitert, sodass nun auch Wege im Homeoffice wie der Weg vom Schreibtisch zur Küche zwecks Nahrungsaufnahme oder der Weg zur Toilette unter den Versicherungsschutz fallen.
Der Unfallversicherungsschutz wird auch auf die Wege ausgedehnt, die Arbeitnehmer zur Betreuung ihrer Kinder zurücklegen.
Arbeitsunfall während der Pause
Auch im Unternehmen sind Beschäftigte auf dem Weg von und zur Kantine oder zur Toilette unfallversichert. Auf der Toilette oder beim Essen sind sie es regelmäßig nicht, weil es sich dabei um private Verrichtungen handelt. Beim Rauchen ist auch der Weg zum Raucherraum oder vor die Tür nicht versichert.
Corona-Infektion als Arbeitsunfall
Auch bei einer Covid-19-Infektion kann es sich um einen Arbeitsunfall handeln, mit der Folge, dass Anzeige bei der Berufsgenossenschaft erfolgen muss. Ein Arbeitsunfall liegt vor, wenn die Infektion auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen ist, z. B.
- bei Beschäftigten im Gesundheitswesen, die nachweislich intensiven Kontakt mit einer infizierten Person hatten oder
- bei infizierten Beschäftigten nach einem größeren Infektionsausbruch im Unternehmen