Kündigung: Die tatsächliche Stellung des Geschäftsführers entscheidet
Für Streitigkeiten aus dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag (Dienstvertrag) sind regelmäßig die ordentlichen Gerichte (Landgericht) zuständig. In Ausnahmen auch das Arbeitsgericht. Das Bundesarbeitsgericht behandelt den GmbH-Geschäftsführer ausnahmsweise als Arbeitnehmer, wenn folgende Punkte eintreten:
- Die konkrete Vertragsgestaltung schränkt seine Befugnisse außergewöhnlich stark ein
- Durch den Anstellungsvertrag ist der Gesellschafter-Geschäftsführer persönlich stark vom Unternehmen abhängig (Grundsatzurteil des BAG, Urteil vom 15.4.1982, 2 AZR 1101/79)
Damit die Kündigung des Geschäftsführers vor dem Arbeitsgericht behandelt wird, muss der Anstellungsvertrag ausführliche Vorschriften beinhalten. Diese beziehen sich auf folgende Aspekte bezüglich der Tätigkeit:
- Zeit: Sind die Arbeitszeiten des Geschäftsführers mit Tagen und Stunden genau definiert?
- Dauer: Ist ein Zeitraum für das Arbeitsverhältnis vertraglich festgelegt?
- Ort: Ist ein spezieller Einsatzbereich oder ein bestimmter Dienstort im Geschäftsführervertrag formuliert?
- Zuständigkeit: Wurde dem Gesellschafter im Anstellungsvertrag die Betreuung von konkreten Aufgaben bzw. Abteilungen zugewiesen? Stehen die zustimmungspflichtigen Geschäfte schon seit Beginn des Anstellungsverhältnisses fest?
- Beauftragungen: Die anderen Gesellschafter erteilen dem Fremdgeschäftsführer regelmäßig entsprechende Weisungen, der er in ihrem Sinne ausführt und nicht aus eigener Motivation.
Info
Kündigungsfrist bei Geschäftsführern
Die Kündigungsfrist für Geschäftsführer richtet sich in erster Linie nach den vertraglichen Vereinbarungen im Geschäftsführeranstellungsvertrag. Gesetzliche Regelungen, wie sie im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) für Arbeitnehmer vorgesehen sind, finden nur eingeschränkt Anwendung. In der Regel werden Kündigungsfristen von drei bis sechs Monaten zum Ende eines Kalendermonats vereinbart. Ohne eine vertragliche Vereinbarung gelten die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere § 622 BGB, sofern der Geschäftsführer als Arbeitnehmer eingestuft wird. Bei außerordentlichen Kündigungen kann die Frist unter bestimmten Voraussetzungen auch entfallen.
Gehen all diese Kriterien aus dem Arbeitsvertrag bzw. dem Dienstverhältnis hervor, können sich Geschäftsführer im Falle einer Abberufung bzw. Kündigung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages auf ihre (arbeitnehmerähnliche) Stellung berufen. Unter solchen Umständen ist das örtliche Arbeitsgericht befugt, die Abberufung des Geschäftsführers zu untersuchen. Die Kündigung ist erschwert, da das Kündigungsschutzgesetz als Grundlage der Entscheidung einbezogen wird.
Können auch Gesellschafter-Geschäftsführer vor dem Arbeitsgericht klagen?
Damit eine solche Kündigungsschutzklage für Geschäftsführer in Kraft treten kann, müssen in der Praxis einige Bedingungen erfüllt sein:
- Eine solche strenge Weisungsgebundenheit wird meist nur für den Fremd-Geschäftsführer (z. B. einer Konzern-Tochtergesellschaft) vereinbart.
- Aber auch ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer Minderheitsbeteiligung (< 10 %) wird gerne an der „kurzen Leine“ geführt, damit die Mehrheits-Gesellschafter die Geschäfte der GmbH besser kontrollieren können.
- Bei einer Beteiligung des Gesellschafter-Geschäftsführers ab der Höhe einer sog. Sperrminorität (25 % und mehr) liegt auf jeden Fall keine strenge Weisungsgebundenheit mehr vor.
Die Kündigung ist erschwert, da das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) als Grundlage der Entscheidung einbezogen wird.
Tipp
So verbessern Sie Ihren Rechtsschutz
Fremd-Geschäftsführer oder Geschäftsführer mit einer Mini-Beteiligung können schon bei Abschluss des Anstellungsvertrages ihren Rechtsschutz verbessern, indem sie ausdrücklich die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts vereinbaren.
Ausnahme: Der Geschäftsführer schließt einen „Arbeitsvertrag“ ab
Jetzt hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) einen weiteren Ausnahmetatbestand entschieden, der es dem Geschäftsführer im Fall einer Kündigung erlaubt, das Arbeitsgericht anzurufen:
- Das ist immer dann möglich, wenn statt des üblichen Geschäftsführer-Anstellungsvertrags eine arbeitsvertragsähnliche Vereinbarung abgeschlossen wird, die unter das Arbeitsrecht fällt.
- Werden dem Geschäftsführer im Vertrag Arbeitnehmeraufgaben zugewiesen, spricht das für eine Zuständigkeit des Arbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 26.10.2012, 10 AZB 60/12).
Beispiel: Wird der leitende Angestellte zum Geschäftsführer berufen und im Wesentlichen der bestehende Arbeitsvertrag übernommen (außer: Gehalt), dürfte das ausreichen, um die Rechte aus dem Arbeitsvertrag vor dem Arbeitsgericht durchzusetzen.
Sonderfall: Die GmbH schiebt eine fristlose Kündigung nach
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat für diesen Ausnahmefall ein interessantes Urteil gefällt.
Danach gilt: „Bezüglich einer nachgeschobenen fristlosen Kündigung des Geschäftsführers sind die Arbeitsgerichte zuständig“ (BAG, Urteil vom 15.11.2013, 10 AZB 28/13). Damit ist Geschäftsführern, deren Anliegen eigentlich vor dem Landgericht verhandelt werden müsste, auch der Weg zum Arbeitsgericht eröffnet, insbesondere wenn der Dienstvertrag des Geschäftsführers fristlos gekündigt wird. Und zwar dann,
- wenn der Geschäftsführer bereits abberufen wurde,
- der Anstellungsvertrag (fehlerhaft) gekündigt wurde
- und eine fristlose Kündigung nachgeschoben wird.
Praxistipp: Geschäftsführer, die abberufen wurden, haben damit eine zweite Chance. Ist die ordentliche Kündigung fehlerhaft (Frist, Begründetheit) und muss die GmbH nach erfolgter Abberufung eine Kündigung nachschieben, haben Sie gute Chance, dass Ihre Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber GmbH vor dem Arbeitsgericht entschieden wird. Mit den oben genannten Vorteilen für Sie. In der Praxis wirkt sich das regelmäßig auf die Höhe einer Abfindung zu Ihren Gunsten aus. Es lohnt also in jedem Fall, nach einer Kündigung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages prüfen zu lassen, ob bei der Kündigung Fehler gemacht wurden.
Info
Ausscheiden vs. niederlegen: Wo liegt der Unterschied?
Das „Ausscheiden“ bezieht sich allgemein auf das Ende der Tätigkeit eines Geschäftsführers, sei es durch Abberufung, Kündigung seines Dienstvertrags oder Ablauf der Amtszeit. Die „Niederlegung“ hingegen ist ein aktiver Schritt des Geschäftsführers, bei dem er sein Amt freiwillig und einseitig aufgibt, meist durch eine entsprechende Erklärung gegenüber den Gesellschaftern. Während das Ausscheiden durch äußere Umstände oder Entscheidungen Dritter bedingt sein kann, ist die Niederlegung eine bewusste Entscheidung des Geschäftsführers selbst.
Weitere Konditionen zur Kündigung eines Geschäftsführers
Damit dem betroffenen Geschäftsführer ordnungsgemäß gekündigt wird, müssen von Seite der GmbH bzw. der Gesellschafterversammlung bestimmte Aspekte erfüllt sein:
- Die Kündigung eines Geschäftsführers, besonders im außerordentlichen Fall, ist nur mit dem Beweis von triftigen Gründen möglich. Sieht der Anstellungsvertrag vor, dass eine Kündigung nur aus wichtigen Gründen möglich ist, können Fremdgeschäftsführer die aufgeführten Gründe vom Arbeitsgericht prüfen lassen. Alternativ kann auch ein Aufhebungsvertrag zwischen Geschäftsführer und GmbH geschlossen werden, um die Kündigung einvernehmlich zu regeln.
- Gemäß § 623 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) muss die Entlassung des Geschäftsführers schriftlich verfasst sein und ist erst mit der Abgabe der Kündigungserklärung wirksam. Das Verfassen einer schriftlichen Kündigung gilt im Allgemeinen für alle Arbeitnehmer.
- Die Amtsniederlegung aufgrund der Kündigung des Geschäftsführers muss im Handelsregister eingetragen werden.
Info
Verknüpfung mit der Koppelungsklausel
Liegen die Abberufung des Geschäftsführers und die Beendigung des Anstellungsverhältnisses so eng beieinander, ist oft von der Koppelungsklausel die Rede. Um jedoch die Anweisungen des § 307 BGB einzuhalten, wird empfohlen, die Koppelungsklausel in die Kündigungsregelungen einzubinden und diese klar im Geschäftsführervertrag hervorzuheben. Fehlt eine solche Einbindung, könnte eine Koppelungsklausel andernfalls Fehlvorstellungen über den Bestand des Anstellungsvertrages hervorrufen.
Fazit: Nach diesen Urteilen können Sie davon ausgehen, dass die Gerichte nicht mehr pauschal auf Zuständigkeit des Landgerichts entscheiden, sondern dass sie sich erst einmal den Anstellungs- bzw. Arbeitsvertrag bzw. die besondere Situation des Geschäftsführers genauer anschauen werden. Diese differenzierte Rechtsprechung bietet Geschäftsführern eine bessere Möglichkeit, ihre Kündigung vor dem Arbeitsgericht anzufechten.