Das frühere Verfahren bei Krankschreibungen
Mit der ärztlichen Krankschreibung belegen Arbeitnehmer ihre Arbeitsunfähigkeit und den Anspruch auf Entgeltfortzahlung oder Krankengeldbezug. Bisher wurde der „gelbe Schein“ in vierfacher Ausfertigung erstellt und ausgedruckt:
- Eine Bescheinigung verbleibt in der Praxis.
- Ein Exemplar ist für die persönlichen Unterlagen der Beschäftigten gedacht.
- Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Krankenkasse und das Unternehmen werden ebenfalls an die Arbeitnehmer ausgehändigt.
Achtung
Frühere Regel beim Krankschreiben
Arbeitnehmer waren dafür verantwortlich, die ausgestellten Bescheinigungen rechtzeitig dem Betrieb und ihrer Krankenkasse zu übermitteln.
Der Weg zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Mit dem Dritten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG III) wurde schon Ende 2019 die Umstellung von der Krankmeldung in Papierform auf den elektronischen Krankenschein auf den Weg gebracht. Durch die Einführung der elektronischen AU sollen der ehemals übliche Papierberg und die aufwändige Verteilung hinfällig werden und damit zur Entlastung aller Beteiligten beitragen.
Arbeitgeber bekommen die für die Entgeltfortzahlung notwendigen Daten – wie z. B. Beginn und Dauer der Arbeitsunfähigkeit und Ende der Entgeltfortzahlung – direkt von der jeweiligen Krankenkasse elektronisch übermittelt. Praxen müssen für den Arbeitgeber also keinen Papierausdruck der Krankschreibung mehr erstellen.
So läuft die „neue Krankschreibung" ab
Das neue Verfahren für die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird ausschließlich elektronisch mit gesicherter und verschlüsselter Übertragung durchgeführt. Der Ablauf der neuen Krankmeldung (eAU) im Einzelnen:
- Der Arzt oder die Ärztin füllt nach Feststellung der Arbeitsunfähigkeit die digitale Krankschreibung am Bildschirm aus, versieht sie mit einer digitalen Unterschrift und übermittelt sie digital direkt an die zuständige Krankenkasse. Die Beschäftigten erhalten, wenn sie möchten, einen Beleg für die persönlichen Unterlagen, der ausgedruckt oder ebenfalls digital übermittelt wird.
- Der Arbeitnehmer informiert das Unternehmen über die Arbeitsunfähigkeit sowie die voraussichtliche Dauer des Ausfalls.
- Die Krankenkasse erstellt nach Eingang der eAU eine Meldung mit den erforderlichen Daten zum Abruf für den Betrieb. Auch die von Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen an die Krankenkasse gelieferten Arbeitsunfähigkeitsdaten werden so zur Verfügung gestellt.
- Arbeitgeber fordern die bereitgestellten Daten bei der Krankenkasse an. Diese werden spätestens am folgenden Werktag übermittelt.
- Stellt die Krankenkasse fest, dass die Entgeltfortzahlung wegen anrechenbarer Vorerkrankungszeiten ausläuft, lässt sie dem Unternehmen auch die für die Entgeltabrechnung relevanten Vorerkrankungszeiten zukommen.
Info
Was ist bei Arbeits- und Wegeunfällen sowie Berufskrankheiten zu beachten?
Auch in diesem Fall werden die AU-Daten digital an die gesetzliche Krankenkasse übermittelt. Falls erforderlich, leitet die Krankenkasse die Daten an die zuständige Berufsgenossenschaft weiter.
Info
Umsetzung der eAU in Ihrem Lexware-Programm
Wie Sie die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Ihrem Lexware-Programm umsetzen, erfahren Sie in diesem FAQ-Beitrag in unserem Support-Bereich.
Sonderfälle: Minijob und Privatversicherte
Die Daten aus der eAU von geringfügig Beschäftigten werden von der Krankenkasse für die Weiterleitung an die Knappschaft-Bahn-See (Minijobzentrale) bereitgestellt. Die Minijobzentrale kann sie anfordern, wenn der Arbeitgeber dort einen Antrag auf Erstattung von Entgeltfortzahlungskosten stellt.
Bei Arbeitnehmern, die in einer privaten Krankenversicherung versichert sind, ist die elektronische Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis auf Weiteres ausgesetzt. In diesen Fällen druckt der Arzt oder die Ärztin die elektronisch signierten Formulare für Krankenkasse, Betrieb und Erkrankten aus.
Achtung
Sonderregelung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei Privatversicherten
Privatversicherte müssen die elektronische AU-Bescheinigung für den Arbeitgeber und die private Krankenversicherung wie bisher selbst an diese weiterleiten.
Die Mitteilungspflicht der Beschäftigten besteht bei der eAU weiter
Die Meldepflicht bleibt bestehen: Beschäftigte müssen dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen, dass sie arbeitsunfähig erkrankt sind. Ebenfalls müssen sie angeben, wie lange die Ausfallzeit voraussichtlich dauern wird. Bislang ist zudem, spätestens wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Tage andauert, ein ärztliches Attest vorzulegen. Es sei denn, im Arbeitsvertrag wurde eine andere Regel getroffen (z. B. die Vorlage der AU bereits beim ersten Krankheitstag). Zukünftig gilt: Beschäftigte müssen die Arbeitsunfähigkeit unverändert ärztlich feststellen lassen. Die Pflicht zur Vorlage des Attests im Unternehmen entfällt aber, weil der Betrieb die erforderlichen Daten bei der eAU direkt von der zuständigen Krankenkasse übermittelt bekommt.
Info
Mitteilungspflicht bei Arbeitsunfähigkeit im Ausland
Auch bei Erkrankung im Ausland sind Arbeitnehmer dazu verpflichtet, den Arbeitgeber zu benachrichtigen und diesem einen entsprechenden Nachweis über die Dauer des Ausfalls vorzulegen. Da die Behandlung im Ausland außerdem nicht über den behandelnden Arzt im Inland erfolgt, muss die gesetzliche Krankenkasse hier ebenfalls informiert werden.
Signatur der eAU
Der Datensatz der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Krankenkassen muss signiert erfolgen. Hierfür müssen Praxen entsprechend an einen Kommunikationsdienst, und zwar den sogenannten KIM-Dienst (Kommunikation im Medizinwesen) angebunden sein. Außerdem wird ein Modul für das Praxisverwaltungs- bzw. Krankenhaus-Informationssystem benötigt, über das die elektronische AU ausgefüllt, signiert, versendet und ausgedruckt werden kann. Über weitere technische Voraussetzungen einer rechtssicheren, qualifizierten elektronischen Signatur informiert die Bundesärztekammer. Unterschieden wird dabei zwischen einer Komfortsignatur und einer Stapelsignatur.
Was tun, wenn die digitale Übermittlung der eAU vorübergehend nicht möglich ist?
Sollte es bei der digitalen Übermittlung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Probleme geben, werden die Daten vom Praxisverwaltungssystem (PVS) gespeichert und der Versand erfolgt, sobald es wieder möglich ist. Dem Patienten kann in der Praxis noch der Ausdruck für die Krankenkasse ausgehändigt werden. Der Versand an die Krankenkasse erfolgt hier also ausnahmsweise über den Patienten. Falls der Patient jedoch nicht mehr in der Praxis ist und der digitale Versand auch bis zum Ende des nachfolgenden Werktages nicht möglich ist, muss die Praxis die Papierbescheinigung an die Krankenkasse versenden.
Mehr Information zu diesem Anliegen sowie weiteren Praxisfragen liefert die Kassenärztliche Bundesvereinigung.
Elektronische Krankschreibung: Zeitplan und Fristen
Die Umstellung auf die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung betraf unzählige Praxen, über 100 Krankenkassen und viele große und kleine Unternehmen. Sie alle benötigen z. B. auch die technischen Voraussetzungen für die eAU. Da diese Umsetzung Zeit in Anspruch nimmt, wurde ein stufenweises Vorgehen vereinbart.
1. Schritt: Übermittlung der eAU von der Praxis an die Krankenkasse
Seit dem 1. Oktober 2021 können Ärzte und Ärztinnen die elektronische Krankmeldung über ihr Praxissystem bzw. das Krankenhausinformationssystem erstellen und auf elektronischem Weg an die zuständige Krankenkasse weiterleiten. Arbeitnehmer erhalten einen Ausdruck der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur digitalen Weiterleitung an den Arbeitgeber sowie für die eigenen Unterlagen.
Für Praxen, bei denen die technischen Voraussetzungen zu diesem Termin noch nicht vorlagen, wurde eine Übergangsregelung für die elektronische Arbeitsunfähigkeitsversicherung vereinbart. Sie durften bis zum 30. Juni 2022 weiterhin wie gewohnt das gelbe Blankoformular ausstellen.
Info
Frist für Ärzte zur Umstellung
Spätestens zum 1. Juli 2022 mussten alle Ärzte auf das neue Verfahren umgestellt haben.
2. Schritt: Übermittlung der eAU von der Krankenkasse an den Betrieb
Am 1. Januar 2022 startete eine Pilotphase. Arbeitgeber, die zu dem Zeitpunkt bereits technisch dazu in der Lage waren, konnten die Daten der elektronischen Krankmeldung von der Krankenkasse abrufen.
Info
eAU seit 2023 verpflichtend!
Seit dem 1. Januar 2023 ist das neue AU-Verfahren für alle Beteiligten verpflichtend.
Die gesetzlichen Krankenkassen müssen den Arbeitgebern die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zum Abruf bereitstellen und auf Anforderung übermitteln. Die Krankschreibung erfolgt nur noch digital. Versicherte bekommen, wenn sie das möchten, ihre Ausfertigung und die für den Betrieb digital übermittelt oder vom Arzt bzw. der Ärztin als Ausdruck zur Verfügung gestellt.
Ursprünglich war die finale Umstellung bereits zum 1. Juli 2022 geplant. Da der Zeitplan aufgrund der Corona-Pandemie jedoch nicht eingehalten werden konnte, wurde der Zeitraum der Pilotphase bis Ende 2022 verlängert.
Krankenkassenwechsel und eAU: Neuregelung ab April 2024
Wechselten Mitarbeiter während einer laufenden Krankschreibung die Krankenkasse, kam es vor der Einführung einer Neureglung im April 2024 zu Informationslücken. Die alte Kasse erhielt die Informationen, die neue Kasse wurde über die laufende Krankschreibung jedoch nicht informiert.
Nun müssen die Daten der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die neue Kasse weitergeleitet werden, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten länger als die Mitgliedschaft in der alten Kasse dauert. Für die eAU gilt daher seit dem 1. April 2024, dass alle relevanten Daten zur Arbeitsunfähigkeit nach Abschluss des Krankenkassenwechsels aktiv von der bisher zuständigen Krankenkasse an die neue Krankenkasse des Beschäftigten weitergeleitet werden.
Weiterleitung von Arbeitgeberanfragen
Möchten Arbeitgeber die eAU-Daten bei der neuen Krankenkasse des Beschäftigten abrufen, obwohl diese noch nicht vorliegen, leitet die neue Krankenkasse die Anfrage weiter an die vorherige Krankenkasse. Die alte Krankenkasse beantwortet dann die Anfrage des Arbeitgebers auf Grundlage der ihr vorliegenden Daten.
Für Arbeitgeber heißt das: Sie bekommen u. U. von unterschiedlichen Krankenkassen eine Rückmeldung, auch wenn sie nur bei einer Kasse eine Anfrage gestellt haben.
Abruf der eAU vor und nach abgeschlossenem Krankenkassenwechsel
Je nachdem, ob der Wechsel der Krankenkasse bereits abgeschlossen ist oder nicht, ergeben sich seit April 2024 unterschiedliche Szenarien:
- Abgeschlossener Krankenkassenwechsel: Die Arztpraxis übermittelt der alten Krankenkasse eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die über das Versicherungsende hinausgeht. In diesem Fall leitet die alte Kasse die eAU-Daten an die neue Kasse weiter.
- Vor abgeschlossenem Krankenkassenwechsel: Die neue Krankenkasse leitet die Anfrage des Arbeitgebers an die alte Krankenkasse weiter und informiert den Arbeitgeber mit Meldegrund 4, dass ihr die eAU-Daten nicht vorliegen. Die alte Krankenkasse prüft die Anfrage und teilt dem Arbeitgeber die eAU-Daten mit, sofern sie ihr vorliegen. Ansonsten erhalten Arbeitgeber auch hier den Meldegrund 4 zurück.
Erhält die neue Krankenkasse innerhalb von 14 Tagen die eAU-Daten von der Praxis, stellt sie diese dem Arbeitgeber bereit. Gleiches gilt für die vorherige Krankenkasse: Sollten die eAU-Daten innerhalb von 14 Tagen noch bei der alten Krankenkasse landen, leitet sie diese an den Arbeitgeber weiter.
Info
Übergangszeitraum bis März 2024
Bis zum 31. März 2024 gab es einen Übergangszeitraum, in dem ein Ersatzverfahren griff. Die proaktive Weiterleitung der eAU-Daten sollte in diesem Zeitraum zwischen den Krankenkassen postalisch erfolgen. Aber: Arbeitgeberanfragen an die alte Krankenkasse des Arbeitgebers wurden im Rahmen des Ersatzverfahrens nicht weitergeleitet, die Weiterleitung erfolgte erst ab 1. April 2024.
Abruf von eAU-Daten für zurückliegende Zeiträume
Arbeitgeber dürfen eAU-Daten bei der Krankenkasse auch für zurückliegende Zeiträume abrufen. Dies ist innerhalb von 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, das von dem jeweiligen AU-Zeitraum betroffen ist, zulässig. Ein Abruf von AU-Zeiträumen vor dem 1. Oktober 2021, also vor dem Start des eAU-Verfahrens in der Pilotphase, ist nicht erlaubt.
Die eAU hat viele Vorteile
Die Einführung des neuen Verfahrens der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist mit viel Aufwand verbunden, bringt aber auch zahlreiche Vorteile mit sich, z. B.:
- Reduzierung der Menge an Formularen in Papierform für alle Beteiligten
- Bürokratieabbau
- Schnellere und sicherere Zustellung der Informationen zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an alle Beteiligten
- Vermeiden von Fehlerquellen, die durch mehrmaliges Versenden und Erfassen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Praxen, bei Krankenkassen und Betrieben entstehen
- Vollständiger Datenbestand bei den Krankenkassen – etwa zur Abwicklung von Krankengeldzahlungen
- Einheitliche und korrekte Datenlage durch die eAU bei allen Beteiligten
- Ausschluss von Unstimmigkeiten z. B. bei der Dauer der Entgeltfortzahlung
- Vollständiges Vorliegen notwendiger Daten zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, wenn sie gebraucht werden
- Befreiung der Arbeitnehmer von der Weiterleitungspflicht an das Unternehmen und die Krankenkasse
- Geringere Erstellungs-, Erfassungs- und Zustellkosten durch die eAU