Unterschied zwischen Einnahmen-Überschussrechnung und Bilanz
Der Unterschied zwischen der EÜR und der Bilanz liegt vor allem in der Komplexität und den gesetzlichen Anforderungen. Die EÜR nach § 4 Abs. 3 EstG – danach auch 4/3-Rechnung genannt – ist ein vereinfachtes Verfahren zur Gewinnermittlung, das hauptsächlich von kleinen Unternehmen und Selbstständigen genutzt wird, die nicht zur Bilanzierung verpflichtet sind.
Im Unterschied dazu erfordert die Bilanz als Form des Jahresabschlusses zur Gewinnermittlung eine umfassendere Darstellung der finanziellen Lage eines Unternehmens. Sie beinhaltet die Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden (Aktiva und Passiva) sowie oft eine Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), die auf den Aufwands- und Ertragskonten basiert.
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Welche Vorteile bietet die EÜR gegenüber der Bilanzierung?
Die EÜR ist einfacher und weniger zeitaufwendig als die Bilanzierung, da Sie lediglich Ihre Einnahmen und Ausgaben gegenüberstellen. Zudem entfallen aufwendige Buchführungspflichten. Das spart Kosten und hält Ihre finanzielle Übersicht unkompliziert.
Rechtsform und Umsatz: Wann Bilanz, wann EÜR?
Die Wahl zwischen EÜR und Bilanz hängt in erster Linie von der Rechtsform und dem Umsatz des Unternehmens ab. Grundsätzlich sind Kapitalgesellschaften und viele Personengesellschaften zur Bilanzierung verpflichtet, während Einzelunternehmen mit geringem Umsatz in der Regel die EÜR nutzen können. Unternehmen, die nicht zur doppelten Buchführung verpflichtet sind, dürfen freiwillig bilanzieren, was vor allem dann sinnvoll sein kann, wenn beispielsweise detaillierte Zahlen für Investoren oder Kreditgeber benötigt werden. Wechselt ein Unternehmen zur doppelten Buchführung, muss ein Übergangsgewinn berechnet werden.
Für kleinere Betriebe oder Unternehmen mit niedrigen Gewinnen bietet die EÜR klare Vorteile, da sie weniger komplex und bürokratisch ist. Kleingewerbetreibende und Freiberufler nutzen diese Methode häufig, da sie nicht der Buchführungspflicht unterliegen. Freiberufler wie etwa Ärzte, Architekten oder Anwälte sowie kreative Berufe wie Künstler und Journalisten profitieren ebenfalls von der Einfachheit der EÜR.
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Die Rechtsform entscheidet
Einzelunternehmen können sowohl die EÜR als auch die Bilanz nutzen. In der Regel nutzen Einzelunternehmer aber die EÜR, wenn sie nicht zur Bilanzierung verpflichtet sind. Diese Pflicht greift erst, wenn Sie bestimmte Umsatz- oder Gewinngrenzen überschreiten oder Sie als Kaufmann gemäß § 141 AO eingestuft werden.
Für eine GmbH gibt es hingegen keine Wahl zwischen EÜR oder Bilanz. Hier ist die Bilanzierung obligatorisch, da sie von Gesetzes wegen zur doppelten Buchführung verpflichtet ist.
Wann müssen Sie die Gewinnermittlungsart von der EÜR zur doppelten Buchführung wechseln?
Zur doppelten Buchführung wechseln müssen Sie nur, wenn das Finanzamt Sie offiziell per Verwaltungsakt (= offizielles Schreiben mit Rechtsbehelfsbelehrung) dazu aufgefordert hat. Die Aufforderung erfolgt immer dann, wenn das Finanzamt erfährt, dass entweder Ihr Gewinn über 80.000 Euro geklettert ist oder Ihr Umsatz in den Vorjahren die Höchstgrenze von 800.000 Euro überschritten hat. Ansonsten dürfen Sie Ihren Gewinn auch weiterhin nach der Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR) ermitteln.
Aufgrund der unterschiedlichen Systematik von EÜR und Bilanz müssen Sie beim Wechsel der Gewinnermittlungsart einen Übergangsgewinn ermitteln. Dadurch soll erreicht werden, dass bestimmte Geschäftsvorfälle steuerlich nicht doppelt erfasst werden oder aber steuerlich unter dem Strich unberücksichtigt bleiben. Das kann passieren, wenn Sie beispielsweise im Rahmen der Einnahmen-Überschussrechnung im Dezember eine Rechnung gestellt haben, die aber erst im Januar – nun im Rahmen der doppelten Buchführung – bezahlt wird.
Die Folge: Bei Zahlungseingang erhöht sich der Gewinn bei der Bilanzierung nicht, weil es in der doppelten Buchführung keine Rechnung gibt. Aus diesem Grund müssen Sie wegen des Wechsels eine gewinnerhöhende Forderung einbuchen.
Der ermittelte Übergangsgewinn bzw. Übergangsverlust muss in dem Jahr erfasst werden, in dem erstmals die doppelte Buchführung angewandt wird. Beispiel: Wechsel von der EÜR zur Bilanzierung zum 1.1.2020 = Versteuerung des Übergangsgewinns im Jahr 2020.
Tipp
Verteilen Sie den Übergangsgewinn
Ermitteln Sie durch den Wechsel zur Bilanzierung einen Übergangsgewinn, können Sie bei Abgabe der Steuererklärung beantragen, dass dieser Übergangsgewinn auf 3 Jahre verteilt besteuert wird. Das hat zum einen den Effekt, dass die Steuerbelastung im Gegensatz zur Sofortbesteuerung sinkt. Zum anderen bringt Ihnen diese Verteilung der Besteuerung mehr Liquidität, weil Sie ja die Steuern für zwei Drittel des Übergangsgewinns erst später aufbringen müssen.
Leider ist die Verteilung des Übergangsergebnisses nicht immer zulässig. Beispielsweise müssen Sie auch bei einer Betriebsaufgabe oder bei der Betriebsveräußerung von der Einnahmen-Überschussrechnung zur Bilanzierung übergehen und eine Schlussbilanz aufstellen. Der Gewinn hieraus wird begünstigt besteuert, eine Verteilung auf 3 Jahre ist hier aber nicht erlaubt. Entsteht durch den Wechsel von der EÜR zur Bilanzierung ausnahmsweise ein Verlust (z. B. bei Bildung hoher Rückstellung in der Eröffnungsbilanz), darf dieser Verlust ebenfalls nicht auf 3 Jahre verteilt werden.
Tipp
Ein Jahr vor Betriebsaufgabe oder -veräußerung wechseln
Wenn Sie schon heute wissen, dass Sie Ihren Betrieb in naher Zukunft aufgeben oder verkaufen möchten, können Sie bereits ein Jahr zuvor freiwillig die Gewinnermittlungsart von der EÜR zur doppelten Buchführung wechseln. Ein Steuerberater kann hier Vergleichsrechnungen anstellen, ob sich diese Strategie lohnt.
Berechnungsbeispiel: Übergangsgewinn ermitteln
Frau Huber ist Inhaberin einer Schreinerei und musste zum 01.01.2024 von der Einnahmen-Überschussrechnung zur Bilanzierung wechseln. Frau Huber hat folgende Geschäftsvorfälle identifiziert:
Festgestellte Geschäftsvorfälle zum 31.12.2023
Nr. | Geschäftsvorfall | EUR |
---|---|---|
1 | Es liegen Waren auf Lager, die Frau Huber bereits in den Jahren 2023 und früher bezahlt hat | 10.000 EUR |
2 | Die Überprüfung der Rechnungen zeigt, dass Frau Huber im Jahr 2023 Rechnungen gestellt hat, für die bis Ende 2023 noch kein Zahlungseingang erfolgte | 5.000 EUR |
3 | Frau Huber hat einem Geschäftspartner ein Darlehen gewährt, das zum 31.12.2023 noch nicht beglichen war | 6.000 EUR |
4 | Für das Anlagevermögen (Pkw, Maschinen etc.) wurden die Buchwerte festgestellt | 20.000 EUR |
5 | Aus gestellten Handwerkerrechnungen konnten wegen Sicherheitseinbehalten der Auftraggeber noch keine Zahlungseingänge verbucht werden | 4.000 EUR |
6 | Für 2022 steht noch eine Umsatzsteuererstattung vom Finanzamt aus | 1.500 EUR |
7 | Frau Huber hat die Mieten für Ihre Werkstatt für die Jahre 2024 und 2025 bereits im Jahr 2021 bezahlt | 16.000 EUR |
8 | Es bestehen aus verschiedenen Aufträgen noch Garantierisiken | 2.000 EUR |
Zur Ermittlung des Übergangsgewinns von der Einnahmen-Überschussrechnung zur Bilanzierung muss Frau Huber prüfen, ob sich die Geschäftsvorfälle durch die unterschiedliche Systematik der Gewinnermittlungsarten auf den Gewinn auswirken. Falls ja, sind Zu- und Abrechnung notwendig. Die Überprüfung, ob Korrekturen notwendig sind, geschieht durch eine 3-Schritt-Prüfung nach folgendem Schema:
Auswirkung bei der Einnahmen-Überschussrechnung | Auswirkung bei Bilanzierung (= doppelte Buchführung) | Bei doppelter Auswirkung Hinzurechnung/Kürzung |
---|---|---|
Schritt 1 | Schritt 2 | Schritt 3 |
Die von Frau Huber festgestellten Geschäftsvorfälle wirken sich beim Wechsel von der Einnahmen-Überschussrechnung zur doppelten Buchführung folgendermaßen aus:
1. Waren
Bilanz: In der Eröffnungsbilanz zum 1.1.2024 wird ein Warenbestand von 10.000 EUR ausgewiesen. Beim Verkauf der Waren in 2024 werden Betriebsausgaben in Höhe des Einkaufspreises verbucht.
Auswirkung bei der Einnahmen-Überschussrechnung | Auswirkung bei Bilanzierung (= doppelte Buchführung) | Bei doppelter Auswirkung Hinzurechnung/Kürzung |
---|---|---|
Schritt 1 | Schritt 2 | Schritt 3 |
Beim Kauf Betriebsausgaben gebucht | Betriebsausgaben werden erst bei Verkauf gebucht | Hinzurechnung, da Betriebsausgaben doppelt erfasst würden |
2. Forderungen
Bilanz: In der Eröffnungsbilanz zum 01.01.2024 hat Frau Huber Forderungen in Höhe von 5.000 EUR auszuweisen. Gehen die Forderungen ein, wird erfolgsneutral „Bank an Forderungen“ gebucht.
Auswirkung bei der Einnahmen-Überschussrechnung | Auswirkung bei Bilanzierung (= doppelte Buchführung) | Bei doppelter Auswirkung Hinzurechnung/Kürzung |
---|---|---|
Schritt 1 | Schritt 2 | Schritt 3 |
Noch keine Betriebseinnahmen verbucht, weil noch kein Geldeingang | Erfolgsneutrale Auflösung der Forderungen | Betriebseinnahmen würden den Gewinn nicht erhöhen = Hinzurechnung |
3. Darlehen
Bilanz: In der Eröffnung zum 01.01.2024 wird das Darlehen auf der Aktivseite ausgewiesen. Die Rückzahlung ist erfolgsneutral (= bloße Vermögensumschichtung).
Auswirkung bei der Einnahmen-Überschussrechnung | Auswirkung bei Bilanzierung (= doppelte Buchführung) | Bei doppelter Auswirkung Hinzurechnung/Kürzung |
---|---|---|
Schritt 1 | Schritt 2 | Schritt 3 |
Keine Erfassung, da Vermögensumschichtung | Keine Buchung, da nur Vermögensumschichtung | Nichts anzupassen |
4. Abnutzbares Anlagevermögen
Bilanz: In der Eröffnungsbilanz zum 01.01.2024 werden die Anlagegegenstände mit ihren Buchwerten aktiviert und danach abgeschrieben.
Auswirkung bei der Einnahmen-Überschussrechnung | Auswirkung bei Bilanzierung (= doppelte Buchführung) | Bei doppelter Auswirkung Hinzurechnung/Kürzung |
---|---|---|
Schritt 1 | Schritt 2 | Schritt 3 |
Betriebsausgaben im Rahmen der Abschreibung | Betriebsausgaben im Rahmen der Abschreibung | Nichts anzupassen |
5. Sicherheitseinbehalte von Auftraggebern
Bilanz: In der Eröffnungsbilanz zum 01.01.2024 sind die Sicherheitseinbehalte als Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zu aktivieren. Das bedeutet bei Ermittlung des Übergangsgewinns eine Hinzurechnung von 4.000 EUR (siehe Prüfung zu „2. Forderungen“).
6. USt-Forderungen gegenüber Finanzamt
Bilanz: In der Eröffnungsbilanz zum 01.01.2024 sind hier sonstige Vermögensgegenstände auf der Aktivseite auszuweisen. Für sonstige Vermögensgegenstände gelten beim Wechsel von der Einnahmen-Überschussrechnung zur doppelten Buchführung die Feststellungen wie bei Forderungen (siehe Überprüfung zu 2.). Folge: Hinzurechnung von 1.500 EUR.
7. Mietvorauszahlung für Werkstatt
Bilanz: In der Eröffnungsbilanz zum 01.01.2024 ist ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten in Höhe von 8.000 EUR auszuweisen. Dieser Posten auf der Aktivseite der Bilanz wird in den Jahren 2024 und 2025 jeweils zu 8.000 EUR aufgelöst, was jeweils Betriebsausgaben von 8.000 EUR pro Jahr ausmacht.
Auswirkung bei der Einnahmen-Überschussrechnung | Auswirkung bei Bilanzierung (= doppelte Buchführung) | Bei doppelter Auswirkung Hinzurechnung/Kürzung |
---|---|---|
Schritt 1 | Schritt 2 | Schritt 3 |
Betriebsausgaben bei Zahlung der Miete | Betriebsausgaben der Miete im Jahr der wirtschaftlichen Entstehung | Hinzurechnung, da die Betriebsausgaben ansonsten doppelt erfasst werden |
8. Rückstellung für Garantierückstellungen
Bilanz: In der Eröffnungsbilanz zum 01.01.2024 wird die Rückstellung in Höhe von 2.000 EUR auf der Passivseite abgebildet. Bei Zahlung der Garantien ist die Auflösung erfolgsneutral. Buchungssatz: "Rückstellung an Bank/Kasse".
Auswirkung bei der Einnahmen-Überschussrechnung | Auswirkung bei Bilanzierung (= doppelte Buchführung) | Bei doppelter Auswirkung Hinzurechnung/Kürzung |
---|---|---|
Schritt 1 | Schritt 2 | Schritt 3 |
Keine Betriebsausgaben, da noch keine Garantiezahlung | Erfolgsneutrale Auflösung der Rückstellung bei Garantieausgaben | Abrechnung, da ansonsten keine Betriebsausgaben abgezogen werden |
Ermittlung des Übergangsgewinns:
Nr. | Posten | EUR |
---|---|---|
1 | Waren | 10.000 EUR |
2 | Forderungen | 5.000 EUR |
3 | Darlehen | / |
4 | Anlagevermögen (Pkw, Maschinen etc.) | / |
5 | Forderungen (Sicherheitseinbehalte von Auftraggebern) | 4.000 EUR |
6 | Sonstige Vermögensgegenstände (Umsatzsteuererstattung) | 1.500 EUR |
7 | Mietvorauszahlungen | 16.000 EUR |
8 | Rückstellungen für Garantien | - 2.000 EUR |
= | Übergangsgewinn | 34.500 EUR |