Nachhaltigkeit

CSRD-Umsetzung: Was die Verzögerung für KMU bedeutet

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Union sollte ein wichtiger Schritt in Richtung einheitlicher Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung sein. Die Richtlinie wurde jedoch nicht rechtzeitig in deutsches Recht umgesetzt – das sorgt besonders bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie sogenannten „Großen Unternehmen“ für Unsicherheit. Dieser Artikel beleuchtet, was die verspätete CSRD-Umsetzung für die Wirtschaft in Deutschland bedeutet und bietet praktische Empfehlungen, wie Unternehmen mit der aktuellen Situation umgehen können.

Zuletzt aktualisiert am 11.04.2025
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Was ist die CSRD?

Die EU-Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist eine bedeutende Initiative der Europäischen Union und wurde erstellt, um die inhaltliche Transparenz und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsberichten zu verbessern. Sie sollte die bisherige Non-Financial Reporting Directive (NFRD) ergänzen und strengere Anforderungen für die Berichterstattung über Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (ESG) einführen.

Die CSRD verpflichtet Unternehmen dazu, detaillierte Informationen über ihre Nachhaltigkeitsstrategien, -ziele und -maßnahmen unter Beachtung der sogenannten ESRS-Standards offenzulegen. Rechtliche Auswirkungen auf deutsche Unternehmen hätte die CSRD in Deutschland erst mit ihrer Umsetzung in deutsches Recht entfaltet. Trotz bestehendem Regierungsentwurf verspätet sich die Verabschiedung des Gesetzes zur CSRD-Umsetzung in Deutschland jedoch. 

Von der Berichtspflicht betroffen wären zunächst Unternehmen gewesen, die bereits unter die Richtlinie über nichtfinanzielle Informationen fallen. Sie hätten im Jahr 2025 über das Geschäftsjahr 2024 berichten müssen. Ab 2026 wären auch große Unternehmen einbezogen worden, die bislang nicht unter die Angabe nichtfinanzieller Informationen fallen. Für börsennotierte KMU, kleinere Institute und firmeneigene Versicherungen wäre ab 2027 ein Bericht über das Jahr 2026 zu erstellen gewesen – mit möglichem Aufschub bis 2028.

Wie steht es um die CSRD-Umsetzung in Deutschland?

Bei der CSRD handelt es sich um eine durch die Europäische Kommission verabschiedete Richtlinie. Im Gegensatz zu Verordnungen (z. B. EU-Taxonomie), die unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten gelten, gibt die Richtlinie lediglich das angestrebte Ziel vor. Die Mitgliedsstaaten entscheiden im Rahmen der Vorgabe der Richtlinie selbst, in welcher Form und mit welchen Mitteln dieses Ziel in nationales Recht überführt wird. In Deutschland hätte Die Einführung der CSRD bis 06. Juli 2024 in deutsches Recht durch den Gesetzgeber stattfinden müssen, um  Wirksamkeit zu erlangen.  

Diese Frist hat die Bundesregierung jedoch verpasst, weshalb es zu einer verspäteten Umsetzung der CSRD in Deutschland kommt. Die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen zerbrach zudem im November 2024, was die legislative Umsetzung der CSRD-Richtlinie weiter erheblich verschob. Ein neuer Bundestag wurde erst im Februar 2025 gewählt – und bisher gibt es keine klaren Signale, ab wann die CSRD vollständig in nationales Recht umgesetzt wird. Wahrscheinlich ist jedoch, dass die neue Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD zunächst die weiteren Entwicklungen rund um die Omnibus-Verordnung (siehe unten) der Europäischen Union abwartet. 

Unternehmen sollten dennoch frühzeitig prüfen, welche Prozesse und Datenstrukturen bereits im Vorgriff auf die ESRS-Anforderungen etabliert werden können, um bei Inkrafttreten des Gesetzes schnell reagieren zu können. 

Rückwirkung rechtlich ausgeschlossen

Obwohl einige Unternehmen bereits auf freiwilliger Basis erste Nachhaltigkeitsberichte nach ESRS veröffentlichen, besteht aktuell keine rechtliche Verpflichtung zur Anwendung der CSRD-Vorgaben für das Geschäftsjahr 2024. Eine Rückwirkung des Umsetzungsgesetzes auf zurückliegende Berichtszeiträume ist ausgeschlossen, da sie mit dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot unvereinbar wäre. Dies hat auch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) klargestellt. Trotzdem bleibt bei vielen Unternehmen eine gewisse Unsicherheit, etwa in der Frage, ob Kunden, Investoren oder Banken unabhängig von einer gesetzlichen Rückwirkung schon früher CSRD-konforme Angaben erwarten könnten. 

Die Folgen der verspäteten CSRD-Umsetzung für Unternehmen in Deutschland

Die Verspätung der CSRD-Umsetzung in Deutschland hat zur Folge, dass die ESRS-Nachhaltigkeitsberichts-Pflichten, die ursprünglich ab dem Geschäftsjahr 2025 gelten sollten, vorerst ausgesetzt sind. Die Unsicherheit, die durch diese Situation entsteht, betrifft vor allem „Große Unternehmen“, die vorerst nicht zur Berichterstattung verpflichtet sind sowie Finanzakteure, die weiterhin berichtspflichtig (nach NFRD) bleiben – es bleibt jedoch letzteren überlassen, nach welchen Standards sie berichten. Fest steht, dass zum 01.01.2026 für das Geschäftsjahr 2025 keine ESRS-Berichtspflichten, wie in der CSRD vorgesehen, für „Große Unternehmen“ existieren oder kommen werden. Ob in einzelnen Fällen dennoch eine freiwillige Anwendung der neuen ESRS-Standards sinnvoll ist, sollten Unternehmen im Kontext ihrer Berichtsdynamik individuell prüfen. 

Für KMU bedeutet diese Unsicherheit, dass sie zwar derzeit keiner gesetzlichen Berichtspflicht unterliegen, jedoch indirekt durch ihre Geschäftsbeziehungen zu größeren, bereits nach wie vor oder u. U. künftig berichtspflichtigen Unternehmen betroffen sind. Diese Unternehmen fordern zunehmend Informationen über Nachhaltigkeitspraktiken von ihren kleineren Partnern, was den Druck auf KMU erhöht, sich trotz der verspäteten CSRD-Umsetzung mit den inhaltlichen Anforderungen der Verordnung auseinanderzusetzen. 

Omnibus-Verordnung: EU-Kommission plant Änderung verschiedener Richtlinien

Die CSRD, deren Umsetzung sich in Deutschland verspätet, ist nicht die einzige Richtlinie im Bereich Nachhaltigkeit, bei der Unsicherheit herrscht. Das „europäische Wertschöpfungsketten-Gesetz“, die „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ (CSDDD) wurde im Sommer 2024 beschlossen und wäre bis Juli 2026 in nationales Recht umzusetzen. Sie beträfe Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und mehr als 450 Mio. Euro Umsatz. Die Kritik daran: Unternehmen sähen sich zu viel Bürokratie ausgesetzt. Die neue Bundesregierung möchte zudem das Lieferkettengesetz (LkSG) wieder abschaffen.

Konkrete Ansätze zur „Entbürokratisierung“ liefert die EU-Kommission nun im Rahmen eines sogenannten Omnibus-Verfahrens. Damit sollen gleich mehrere bestehende Regularien, darunter auch CSRD, CSDDD und EU-Taxonomie, inhaltlich überarbeitet, harmonisiert und eingegrenzt werden. Der am 26. Februar 2025 veröffentlichte Entwurf sieht folgende Eckpunkte vor:

  • Der Adressatenkreis der CSRDsoll an jenen der Lieferkettenrichtlinie CSDDD angepasst werden. Somit wären nur noch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden sowie einem Jahresumsatz von über 50. Mio Euro oder einer Bilanzsumme von über 25 Mio. Euro von der Berichtspflicht betroffen. Alle anderen Unternehmen fallen aus der Berichterstattung raus und sollen freiwillig nach den VSME berichten.
  • Wenn berichtspflichtige Unternehmen bei ihren Geschäftspartnern Informationenanfragen, sollen diese nicht über die VSME hinausgehen.
  • Der Starttermin soll verschoben werden: Unternehmen, die ab 2026 oder 2027 zur Berichterstattung verpflichtet gewesen wären, erhalten einen Aufschub bis 2028.
  • Die europäischen Berichtsstandards ESRS sollen vereinfacht werden. Es sollen darüber hinaus keine branchenspezifischen Berichtsstandards (ESRS Set 2) eingeführt werden.
  • Bei der CSDDD soll die Bewertung der gesamten Lieferkette entfallen – es sollen künftig nur direkte Geschäftspartner (Tier 1) betrachtet werden.

Derzeit liegt lediglich ein Vorschlag der EU-Kommission vor. Bevor die Änderungen rechtlich bindend werden, müssen sie das reguläre Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene durchlaufen. Es bleibt abzuwarten, ob die notwendigen politischen Mehrheiten erreicht werden können. Angesichts der stark unterschiedlichen Positionen der Fraktionen ist mit schwierigen Verhandlungen zu rechnen. Dennoch sollte das Legislativpaket im Europäischen Parlament und im Rat mit hoher Priorität behandelt werden. Besonders die „Stop the clock“-Regelung und die Umsetzungsfrist im Rahmen der CSDDD möchte die Kommission im beschleunigten Verfahren vorantreiben.

Verspätete CSRD-Umsetzung in Deutschland: Das sollten KMU jetzt tun

Angesichts der Unsicherheiten und Herausforderungen, die durch die verspätete Umsetzung der CSRD in Deutschland oder Neufassung der angesprochenen Regularien entstehen, fragen sich kleine und mittlere Unternehmen (KMU), was nun zu tun ist. Für KMU sowie „Große Unternehmen“ ist es entscheidend, proaktiv zu handeln. Auch wenn das Gesetz zur CSRD-Umsetzung noch nicht verabschiedet wurde und derzeit keine direkte gesetzliche Pflicht besteht, ist es ratsam, sich auf zukünftige Anforderungen vorzubereiten und die eigene Nachhaltigkeitsstrategie zu stärken. 

  1. Prüfen und Bewerten der aktuellen Lage: Pausieren Sie zunächst Ihre Aktivitäten in Bezug auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung und prüfen Sie  die auf Ihre Organisation zutreffende Rechtslage. Bewerten Sie die sich daraus ergebenden Risiken und Chancen für Ihre Organisation, Ihre Beschäftigten und sonstigen Stakeholder. Hilfestellung gibt unter anderem das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) in der Ausarbeitung aus Dezember 2024 sowie in der Erweiterung aus Februar 2025. Versuchen Sie in diesem Zuge auch, sich Wissen über Definition und Sinn von Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeitsmaßnahmen und -berichterstattung anzueignen.
  2. Lassen Sie sich beraten: Vertrauen Sie hierbei nicht blind auf manchmal fachlich unkorrekte Ratschläge und Erklärungen Falls Sie sich in dieser komplexen Materie nicht sicher fühlen, holen Sie sich fachkundigen Rat, beispielsweise auch von Abschlussprüfern. Eine konkrete Handlungsempfehlung hängt dabei vom rechtlichen Rahmen für Ihre Organisation, aber auch von den Erwartungen Ihrer relevanten Stakeholder (Gesellschafter, Aufsichtsgremium, Kunden, Banken, Versicherer, etc.) und Ihren eigenen Vorstellungen ab. Auch wenn derzeit noch keine umfassende rechtliche Pflicht zur Berichterstattung besteht, kann eine frühzeitige Positionierung in vielen Fällen bereits jetzt zulässig und strategisch klug sein.
  3. Stellen Sie Ihre Aktivitäten nicht ein: Stellen Sie  Ihre Nachhaltigkeits-Aktivitäten, welche über die Nachhaltigkeitsberichterstattung hinausgehen, nicht ein. Denn auch ohne Richtlinienbindung und Berichterstattung gilt – Nachhaltigkeit ist unverzichtbar. In den aktuellen Zeiten von vielfältiger Transformation und multiplen Krisen ist es für viele Organisationen und deren Organe nicht nur Pflicht, sondern überlebenswichtig, sich Gedanken über die Zukunftsfähigkeit und Resilienz des Geschäftsmodells zu machen. Gerade jetzt sollten Sie auf Basis angemessener Bewertung risikobasiert die wichtigen Dinge zuerst tun. Differenzieren Sie dabei zwischen reiner Bürokratie ohne Wertbeitrag und wertbeitragsstiftenden, drängenden Maßnahmen. Sollten Sie hier im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung bereits Kennzahlen erhoben, Risiken identifiziert sowie bewertet und Maßnahmen abgeleitet haben, so machen Sie unbedingt weiter.
  4. Lesen Sie erste CSRD-Nachhaltigkeitsberichte als Benchmark: Inzwischen werden europaweit erste Nachhaltigkeitsberichte im Internet veröffentlicht, die auf Basis der in einigen Ländern angewandten CSRD auf Grundlage der ESRS-Standards berichten. Die Lektüre dieser Berichte mag Ihnen ein Gefühl geben, wie Ihre eigenen Berichte in Zukunft gestaltet sein könnten. 

Info

Vorteile unternehmerischer Nachhaltigkeit

Die ökonomische Nachhaltigkeit der Organisation, auch mit den Begriffen „Resilienz“, „langfristige Existenzsicherung“ oder „Risikotragfähigkeit“ umschrieben, ist das oberste und zwingende Ziel eines gewissenhaften Geschäftsführers. Wer gelebte Nachhaltigkeit im Unternehmen also forciert, profitiert davon gleich mehrfach.

Da die globale Erwärmung und ihre Auswirkungen auf das Klimageschehen weder in Europa noch in anderen Teilen der Welt einfach wieder verschwinden wird, werden auch morgen noch die Auswirkungen und der Umgang mit dem Klimawandel ein zentrales Thema für die Unternehmen und deren verantwortliche Organe bleiben. Zudem lässt sich mit ökologischer Nachhaltigkeit auch ökonomischer Erfolg sichern. Energieeffizienz ist nicht nur bei energieintensiven Unternehmen sehr wichtig – und kann die Produktionskosten erheblich senken. Ebenso ist die Financial Governance, die Sicherung von Liquidität und positivem Ergebnis neben Risikofrüherkennung eine Top-Prio-1-Maßnahme der ökonomischen Nachhaltigkeit.

Auch von sozialer Nachhaltigkeit können Unternehmen profitieren, indem diese im Zeitalter von New Work, Gen Z, Fachkräftemangel und KI-Revolution für angemessene Arbeitsbedingungen sorgt, die sowohl den Organisationen aber auch den Beschäftigten zugutekommen.